Wissenschaft für alle

Nach langer Planung ist das Forum Wissen endlich eröffnet. Das neue Wissenschaftsmuseum der Universität Göttingen hat ein modernes, innovatives Konzept, dessen Potenzial stellenweise noch besser ausgeschöpft werden könnte. Eindrücke vom ersten Besuch.

Von Jana Schaefer und Hanna Sellheim

Bilder: Hanna Sellheim

Am 4. und 5. Juni 2022 öffnete das Forum Wissen, das neue Wissenschaftsmuseum der Universität Göttingen, seine Türen. Einen Tag zuvor hatten Studierende und Angehörige der Universität die Gelegenheit, die Ausstellung schon vorab zu erkunden. Die Schlüsselübergabe und Reden der Direktorin Dr. Marie Luisa Allemeyer sowie des Architekten leiteten den Tag ein, in denen vor allem der Jahre andauernde Bauprozess und die Freude über die endlich erreichte Eröffnung betont wurden.

Die Ausstellungsstücke im neu eröffneten Museum stammen aus den Sammlungen des Königlich Academischen Museums, zu dem 1877 das Naturhistorische Museum hinzukam – in eben dem Gebäude, das nun das Forum Wissen beherbergt. Das frisch renovierte Gebäude direkt neben dem Bahnhof erstrahlt nun im neuen Glanz. Wo früher eine durchgehende Treppe hin zu einem von Säulen gestützten Vordach führte, findet man nun zwei Treppen, dazwischen einen Zugang für körperlich Beeinträchtigte. Allein dieser Zugang war Grund für lange Diskussionen: Sollte die Treppe, die zum architektonischen Gesamtwerk des Prachtbaus aus dem 19. Jahrhundert beiträgt, wirklich zerstückelt werden, wenn man doch auch eine Rampe an der Seite des Gebäudes hätte anbauen können? Das Team des Forum Wissens hat sich gegen einen gesonderten Eingang entschieden. Sie möchten, dass sich alle willkommen fühlen, denn sie verstehen sich als inklusives Wissensmuseum, betont die Direktorin in ihrer Rede. So sind auch die Medientische oder Vitrinen gut mit einem Rollstuhl anfahrbar und es gibt keine Stufen innerhalb der Ausstellungsräume, die eine räumliche Barriere darstellen könnten.

Altes Gebäude und moderne Architektur

Info

Von Dienstag bis Sonntag ist das Museum von 10-18 Uhr geöffnet. Der Besuch im Forum Wissen soll die nächsten 5 Jahre für jede kostenlos sein – dazu gehören auch Führungen.  

Den radikalen Bruch mit dem eigentlichen Baustil des Gebäudes verdeutlichen auch die über dem Sims angebrachten großen, leuchtend roten Buchstaben.  Sie signalisieren: Das Forum Wissen ist ein modernes Museum. Drinnen geht es modern weiter: Die Ausstellungsstücke lassen sich besser kennenlernen, wenn man die App zum Museum runterlädt. Mit dieser lassen sich Objekte »sammeln« und eine eigene Sammlung zusammenstellen – alles digital. In jedem Raum kann man sein Handy an kleine Buttons halten, die einer:m dann im Gegenzug Gegenstände geben. An mehreren Medientischen kann man zusätzlich Spiele spielen, wie etwa das Sortieren der gesammelten Gegenständen nach ihrem Alter, ihrem Wert oder ihrer Schönheit.

An einem anderen großen Bildschirm im »Atelier« kann ein Museumsgegenstand ausgewählt und gezeichnet werden, auch diese Zeichnung wird digital in die Datenbank des Museums geladen. Diese Art der Ausstellung nennt sich laut der Museumswebsite Mehr-Sinne-Prinzip und zielt darauf ab, Wissen spielerisch an alle zu vermitteln.

Streifzug durch Räume des Wissens

Im ersten Stock werden die Besucher:innen durch »Räume des Wissens« geführt, den Hörsaal, die Bibliothek, das Labor, den Schreibtisch. Die Gestaltung ist dem Museumskonzept entsprechend gut durchdacht und witzig: Im Schreibtisch-Raum läuft man durch riesige Büro-Utensilien, ein Raum ist dem »Holzweg« gewidmet, den Irrwegen der Forschung. Eine spannende Idee, deren Potenzial leider nicht ganz ausgeschöpft wird – denn nur eine Handvoll kleiner Schilder mit Forschungsirrtümern illustrieren wissenschaftliches Scheitern. Auch sonst betonen die Ausstellungstexte richtigerweise, wie wichtig kritisches Hinterfragen der Produktionsbedingungen von Wissen sei. Die Beschreibungen der Exponate und ihrer Provenienz könnten dafür ruhig noch mehr konkrete Anhaltspunkte liefern. Die Aufteilung nach Räumen anstatt nach Forschungsfeldern ist aber eine spannende Idee, die Ordnungsprinzipien von Wissenschaft immer wieder reflektiert.

Während eine:n im ersten Stock die Fülle an Ausstellungsstücken beinahe erschlägt und ihre reiche Variationsbreite in unterschiedlichen Themenfeldern beinahe mit jedem Raum wechselt, ist das Erdgeschoss eher spärlich eingerichtet. Neben einigen Büsten ist es vor allem eine Videoprojektion, die den Besuchenden hier ins Auge fällt. In einem weiteren Raum, dem »Freiraum«, ist derzeit die Sonderausstellung »Schwellenwert« von Anja Nitz mit Fotografien aus den wissenschaftlichen Sammlungen zu sehen, weitere werden hier im Wechsel folgen und die unteren Ausstellungsräume hoffentlich mit noch mehr Leben füllen.

Kosten und Nutzen

Wissenschaft transparent zu machen, ihre Prozesse zu erklären und zugänglich zu machen, ist in Zeiten zunehmender Wissenschaftsskepsis ein sinnvolles, wichtiges Unterfangen. So zeigt das Forum Wissen einiges auf, was auch für bereits länger mit der Uni Göttingen Vertraute neu und interessant ist. Bei manchen der Ausstellungsräume stellt sich aber die Frage nach der Zielgruppe des Museums – denn wie ein Hörsaal aussieht und was dort passiert, werden die meisten Besucher:innen wohl bereits wissen.

So steht, besonders im Kontext von #IchBinHanna, das Forum durchaus auch in der Kritik, vor allem wegen seiner Kosten. Bei der Eröffnung demonstrierten die Initiativen TVStud und Uni Göttingen Unbefristet, die sich für bessere Arbeitsbedingungen für Uni-Mitarbeitende einsetzen, und sprühten den Schriftzug »Entfristung statt Prestigeprojekte« vor den Museumseingang.

Für Göttingen als »Stadt, die Wissen schafft« und vor allem die Universität kann das vorteilhaft neben dem Bahnhof platzierte Museum sicherlich trotz ein paar Schwachstellen ein Gewinn sein. Denn der Besuch lohnt sich schon allein für das eindrucksvolle Gebäude und die mit viel Detailliebe ausgestatteten Räume, in denen sich bestimmt mit jedem Besuch Neues entdecken lässt.

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