Mit bildstarker Sprache und gezielt eingesetzten Exkursen erzählt Ewald Arenz in Das Diamantenmädchen einen Mord im Berlin der 1920er. Seine Erzähler:innen sind sympathisch, der Fall ist jedoch für die Leser:innen schnell gelöst.
Von Katarina Fiedler
Wer den Namen Ewald Arenz hört, denkt vermutlich an seinen Debüt-Roman Alte Sorten von 2019, der zuerst als Hardcover, später als Taschenbuch auf der Spiegel-Bestsellerliste stand und 2021 sogar Jahresbestseller wurde.
Mit seinem Roman Das Diamantenmädchen, zuerst erschienen 2011 und 2022 als Taschenbuch-Neuausgabe veröffentlicht, widmet Arenz sich ebenfalls grundlegenden Fragen des Lebens, dieses Mal jedoch verpackt als Kriminalfall aus den 1920ern: Lilli ist eine junge Journalistin, die bei einer Pressekonferenz Zeugin eines Leichenfundes wird. Neben der Leiche liegt ein Rohdiamant, der den Kriminalhauptkommissar Schambacher schnell auf die Spur von Lillis Jugendfreund Paul führt. Dieser hat als Diamantenschleifer Zugang zu Rohdiamanten und kein Alibi für die Tatzeit. Lilli traut ihrem Freund keinen Mord zu, der Erste Weltkrieg hat jedoch einen Keil in ihre Freundschaft getrieben und plötzlich ist sich Lilli nicht mehr sicher, wem sie vertrauen soll – Paul oder Schambacher?
Arenz weiß genau, was er tut
Ewald Arenz
Das Diamantenmädchen
Taschenbuch-Neuausgabe
DuMont: Köln 2022
320 Seiten, 13,00€
Anders als Arenz‘ bisherige Romane spielt Das Diamantenmädchen nicht irgendwo im Nirgendwo, sondern im Berlin der 1920er, wo euphorisches Vergnügen neben bitterer Armut gegenwärtig war und als Aushängeschild für das galt, was die junge Weimarer Republik zu bewältigen hatte. Angefangen von den Reparationsforderungen der Kriegsgewinner über verletzte und vergessene Kriegsveteranen bis zu Revolutionen und den haltlosen Partys in Nachtclubs bringt Arenz die Atmosphäre der 1920er in Berlin mühelos in den erzählten Orten seines Romans unter. Mit seiner bildlichen Sprache erweckt er einen Jazzclub zum Leben und erzählt, ganz nach romantischer Manier, die Gefühlszustände seiner Figuren anhand der äußeren Welt.
Besonders bemerkenswert ist die Erzählperspektive im Roman, denn diese wechselt kapitelweise von Lilli zu Schambacher – sowie innerhalb eines Kapitels, wenn beide miteinander interagieren. An dieser Feinheit wird deutlich, dass Arenz als studierter Germanist weiß, welche Wirkung er mit welcher Technik erzielen kann. Gleichzeitig drängt sich diese Beobachtung aber nicht auf, sodass der Roman auch ohne analytische Lesehaltung Freude macht.
Sommerlektüre ist gesichert
Es wird deutlich, dass Arenz für diesen Roman umfangreiche Recherchen über Diamantenherstellung und -historie betrieben hat. Zum Glück der Leser:innen schweift er aber nicht in Eschbach’scher Weise über fünf Seiten in einen wissenschaftlichen Diskurs über Diamanten aus, sondern baut gezielt figurenbezogene Geschichten über einzelne Diamanten, die in dem Roman eine wichtige Rolle spielen, ein. Damit bricht er nicht nur die Geschichte auf und baut eine zweite Ebene des Erzählens ein, sondern deutet zugleich vereinzelt Geschehnisse voraus.
Der Roman hat alles, was ein guter Krimi braucht: Sympathische Erzähler:innen auf beiden Seiten der Ermittlungen, undurchsichtige Verstrickungen, ein nicht eindeutiges Motiv und einen charismatischen Ermittler, der sich auch privat in den Fall verstrickt. Leider kann der:die Leser:in schneller als die Kommissare die Fäden der Ermittlungen zusammenführen und weiß daher spätestens ab der Hälfte, wer der:die Mörder:in ist. Diese verfrühte Erkenntnis ändert jedoch nichts am äußerst spannenden Finale, das noch einmal alle Figuren in ein anderes Licht rückt und Platz für Plot Twists lässt.
Der Roman ist zwar nicht vergleichbar zu Alte Sorten, da insgesamt die gesellschaftsanalytische Tiefe fehlt, als leichte Lektüre für den Sommer entführt er die Leser:innen aber dank seiner bildlicher Schreibweise in das Berlin der 1920er und lässt an den Ermittlungen zu einem spannenden Krimifall teilhaben.