Lokale Größen und neue aufstrebende Künstler:innen treffen im Künstlerhaus Göttingen noch bis Ende des Jahres aufeinander. In jeder erdenklichen Form zeigt die Vereinigung Kreis 34, was sie im Jahr 2024 bewegt hat.
Von Lisa Hoffmeister
Bild: Joscha Wissing
Sehr unerwartet, aber schön, beginnt die Vernissage der Künstlervereinigung Kreis 34 im Künstlerhaus Göttingen am 17. November 2024 mit einem kleinen Viola Konzert. Nach einer kurzen Begrüßung des Vorstandsmitgliedes Anna Tarach spielt Igor Tulchynsky Werke von Johann Sebastian Bach. Abgesehen von der Musik ist es leise in dem Raum, obwohl er aus allen Nähten platzt: Viele Künstler:innen, Freund:innen, Familien und lokale Kunstinteressierte sind zur Ausstellungseröffnung gekommen.
Dieses Jahr führt Kulturjournalistin Tina Fibiger das Publikum mit sehr bildlichen Erzählungen einmal durch die Ausstellung, ohne dabei den Raum zu verlassen. Ohne Themenvorgabe und bei 25 Künstler:innen sieht sie nicht überall, aber an einigen Stellen durchaus, eine Verständigung zwischen den einzelnen Werken und Galerieräumen. Fibiger meint, die Werke könnten durch die Wände hinweg kommunizieren, wenn sie sich mit dem selben Thema befassen. Über zwei Etagen und sechs Räume sind die unterschiedlichsten Stoffe und verschiedensten Gedanken ausgestellt. Fibigers Nacherzählung der Ausstellung beginnt bei den Werken von Frank-Helge Steuer und Daniela Renneberg. Bei ersterem scheint das Werk fast zu schweben und bei letzterer gibt es tatsächlich eine schwebende Gestalt. Die Kulturjournalistin beschreibt viele der Werke als mit großen Emotionen aufgeladen. Bei Wolfgang Hiltscher sehe man Spuren existenzieller Verwerfungen. An anderer Stelle schmerzhafte Verlassenheit und Aufbruchstimmung. Prägend für diese Ausstellung sei die Experimentierlaune mit unterschiedlichsten Materialien, eine expressive Materialsprache und bei vielen Werken eine malerische Verdichtung. Nach dieser Einführung kann jede:r nach Belieben durch die Räume schlendern, mit den Künster:innen ins Gespräch kommen oder einen kleinen Abstecher zum Buffet machen.
Instaworthy oder Gesundheitsamt alarmieren?
Mit dem jüngsten Neuzugang, Ebtihal Hussein, hat der Kreis 34 einen aufgehenden Stern gefunden. Wenn man vor Ihren Portraits steht, fühlt es sich an, als wären die Menschen darin lebendig und würden einen tatsächlich ansehen und mit einem kommunizieren. Ebtihal ist vor sechs Monaten nach Deutschland gekommen und hat sich in der kurzen Zeit schon mit der lokalen Kunstszene bekannt gemacht. Von Ihr werden wir mit Sicherheit noch viel zu sehen bekommen: Sie möchte weiter Kunst studieren und veröffentlicht auf Instagram fleißig Zeitraffer von der Entstehung ihrer Werke.
Eine besonders faszinierende Wirkung hat ein abstraktes und doch sehr figuratives Werk im hintersten Ausstellungsraum von Anke Dilé Wissing mit dem Titel Zwischenräume IV. Eine Engelsfigur ist dort ausgestellt. Der Kopf und Körper des Engels bestehen aus den symbolisch aufgeladenen Elementen des Brautschleiers und der Dornenkrone. Die Flügel bestehen aus zwei Leinwänden, die links und rechts vom Brautschleier angebracht sind. Eine erste, etwas unappetitliche Assoziation ist das Wachsen von Schimmelflecken auf den Leinwänden. Natürlich schimmelt die Leinwand nicht, dennoch fragt man sich kurz, ob ein Anruf beim Gesundheitsamt nötig ist. Die Künstlerin hat Rotkraut auf die Leinwand gelegt, einziehen lassen und die Strukturen dann graphisch nachgearbeitet. Hier treffen organische und künstliche Farbe aufeinander und zeigen ein Zusammenspiel durch die Formen, aber auch eine Abgrenzung durch die Farben.
Von 3400 nach 37073
Der Kreis 34 wurde 1969 gegründet und nach der alten Postleitzahl 3400 von Göttingen vor der Wende benannt. Einige Mitglieder sind schon viele Jahre dabei, aber sie sind trotzdem alle am Puls der Zeit geblieben. Otfried Krumbach fertigt momentan digitale Werke an und bietet auf seinen Ausstellungsbeschilderungen nicht nur die gewohnten Infos zum Werk, sondern auch QR-Codes für weitere Informationen an. Maria Truskolawska erstellt surrealistische dreidimensionale Gemälde mit einer Upcycling Technik aus Müll. Frank-Helge Steuer, den wir normalerweise für seine in Göttingen überall verteilten Skulpturen kennen, experimentiert gerade mit neuen Materialien und zeigt in dieser Ausstellung mehrere gespachtelte Bilder, die primär die Signalfarben rot und grün enthalten und deren Wirkung durch das Zusammenspiel von Texturen, Formen und Farben entsteht.
Die Ausstellung ist noch bis zum 29. Dezember 2024 immer Dienstags bis Freitags von 16 bis 18 Uhr und Samstag und Sonntag von 11 bis 16 Uhr geöffnet und definitiv einen Besuch wert!