Von Vokuhilas, Camp und Cisplaining

Hengameh Yaghoobifarah spricht mit Fatma Aydemir bei der Frühjahrslese charmant über popkulturelle Phänomene, kritisiert aber auch Transfeindlichkeit. Eine Mischung aus Humor und politischen Themen prägt die Vorstellung der Kolumnensammlung Habibitus.

Von Lucie Mohme

Bild: Lucie Mohme

Den Abschluss der Frühjahrslese in der Göttinger Scheddachhalle bestreitet ein Duo, das für einen queerfeministischen Ausklang des Mini-Festivals sorgt. Literaturherbst und Literarisches Zentrum Göttingen haben Hengameh Yaghoobifarah mit dem vor kurzem erschienenen Kolumnenband Habibitus eingeladen. Ein Glücksgriff der Veranstalter ist die Moderatorin Fatma Aydemir, langjährige Freundin von Yaghoobifarah. Beide Gäst:innen merken gleich zu Anfang an, wie gut diese Kombination passe. Und sie haben recht: Besser hätte die Frühjahrslese nicht enden können, nämlich mit Humor, Authentizität, gratwandernder Systemkritik und einem wehmütigen Abschied von einer Kolumne.

Misgendering und Cisplaining

Yaghoobifarah gewährt einen ungefilterten Einblick in das eigene Werk und beginnt wohlüberlegt mit einem Text aus dem Missy Magazin. Darin geht es um Yaghoobifarahs Genderidentität. Yaghoobifarah benutze keine oder die Pronomen dey/er. Damit werden gleich zu Beginn des Abends Missverständnisse aus dem Weg geräumt. Trotz solcher Klarstellungen sei Misgendering, also das Aberkennen der Identität durch die Ansprache mit dem falschen Pronomen, alltäglich. Auch unaufgeforderte Erklärungen zum Thema Gender oder auch Transidentität von cis-Personen begegnen Yaghoobifarah immer wieder.

Der Name der ehemaligen taz-Kolumne Habibitus, eine Neuschöpfung aus »Habibi« und »Habitus«, war die Idee von Aydemir. Yaghoobifarahs Kolumnentexte sind nun gesammelt als Band im Aufbau Verlag erschienen. Habibitus bietet Einblicke in die Bandbreite der »Vokuhila-Matrix« oder die Entscheidung von gebärfähigen Menschen, keine Kinder haben zu wollen. Zudem grast die Kolumne Fashion-Inhalte wie die queere Ästhetik »Camp« ab, die Susan Sontag im Essay »Notes on Camp« beschrieb. Eine Mischung aus Selbstironie und werturteilender Modekritik, aber auch ein Querschnitt durch popkulturelle Debatten erwarten eine:n bei dieser Lektüre.

Düstere Gegenwart

Der Abend bleibt nicht so fröhlich, wie er beginnt und das mit Recht. Politisch nimmt Yaghoobifarah kein Blatt vor den Mund. Es mag vielleicht überraschen, dass dabei ein Teil der Linken ins Visier gerät. Yaghoobifarah kritisiert, es sei besorgniserregend, dass einige sich selbst als links identifizierende Personen mittlerweile mit »Transfeindlichkeit kokettieren«, um sich politisch abzuheben oder interessanter zu machen. Exemplarisch für diese Auseinandersetzungen sei der offene Brief, den mehrere Autor:innen an die linke Zeitung Jungle World schrieben, um zu kritisieren, dass diese transfeindliche Artikel veröffentlichte. Yaghoobifarah begegnet der linken Transfeindlichkeit mit nüchterner Fassungslosigkeit – im Kapitalismus heiße die traurige Wahrheit wohl: »It sells«.

Doch ist eine Kolumne ein Abbild der schreibenden Person selbst? »Nicht ganz«, antwortet Yaghoobifarah. Es sei eine Art überspitzte Autofiktion, der Inhalt unterscheide sich von der Person hinter den Worten. Die taz-Kolumne hat nach sechseinhalb Jahren ein Ende gefunden, mittlerweile erschien Yaghoobifarahs erster Roman Ministerium der Träume, ein zweiter ist bereits in Arbeit. In der Zwischenzeit lohnt es sich in Anbetracht der gelungen Lesung, Habibitus in die Hand zu nehmen, um sich selbst vom Charme Yaghoobifarahs zu überzeugen.

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