Unsere Must-Reads zum Black History Month

Februar ist Black History Month! Zu diesem Anlass haben wir in der Litlog-Redaktion für euch Empfehlungen gesammelt: Diese vier außergewöhnlichen Bücher von Schwarzen Autor:innen können wir euch nur ans Herz legen.

Bild: Via Pixabay, CC0

Bernardine Evaristo: The Emperor’s Babe

Von Emily Lüter

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Bernardine Evaristo
The Emperor’s Babe

Penguin: London 2020
272 Seiten, 22.99$

Bernardine Evaristo ist nicht zuletzt seit ihrem Gewinn des Booker Prize (als erste Schwarze Frau!) für Girl, Woman, Other eine etablierte und stimmgewaltige Autorin in der literarischen Szene. Ein Roman, der weniger Beachtung findet, aber nicht minder eindrucksvoll ist, ist ihr 2001 erschienener Versroman The Emperor’s Babe. Die Geschichte folgt der jungen Zuleika, Tochter sudanesischer Immigrant:innen, die im 3. Jahrhundert n.u.Z. einen römischen Geschäftsmann heiratet und sich aus ihrer Ehe in eine Affäre mit dem Imperator Septimus Severus flüchtet.

In einer von Männern dominierten Welt zeigt Evaristo die Leerstellen und Lücken, in denen Frauen leben und für ihre eigene Macht kämpfen. Die körperlichen Realitäten von Frauen* – und zwar aller Frauen* – sowie die Bedeutung der eigenen Stimme, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen, sind noch heute Themen, die aus dem 3. Jahrhundert nachhallen. Der Roman ist eine explosive Mischung aus Lyrik, intersektionalem Feminismus und Geschichte, und offenbart, wie wichtig unsere Auseinandersetzung mit gelebten Realitäten ist, die in der traditionellen Geschichtsschreibung keine Stimme besitzen. Vor allem die Unterrepräsentation Schwarzer Frauen wird in The Emperor’s Babe dekonstruiert und die sonst herrschende Leere mit Zuleikas unerschrockenen Worten gefüllt. Der Roman, der ermächtigend, lustig und zuweilen herzzerbrechend ist, beweist, wie divers und vielfältig BIPoC Literatur ist und wie viel mehr Stimmen wir zuhören sollten.

Toni Morrison: Jazz

By Sofija Popovska

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Toni Morrison
Jazz

Übers. von Helga Pfetsch
Rowohlt: Hamburg 1994
256 Seiten, 12,00€

First published in 1993, Toni Morrison’s sixth novel, Jazz, is a beautiful nightmare brimming with themes bound to beguile the readers of today. Conceptualized as a literary incarnation of the music genre it was named after, Jazz is a fusion of past and contemporary, love and loathing, youth and old age, Virginia and New York, and numerous other dichotomies which entwine to form a framework simultaneously fragile, frustrating, passionate, unique, devastating and rich. Stylistically, the prose of Jazz is dreamlike and airy, a stark contrast to its thematic explorations. Structurally, it is a remarkable success in adapting the shape and spirit of jazz music into the format of a novel.

Akin to the solo performances and variations found in its musical counterpart, the novel tunes into the lives of characters living anywhere between the end of the 19th century until the mid-1920s, as their lives collide or coalesce, each reflecting the themes of love, romance, and the experience of being Black in the US in a unique way. Like a needle following the grooves on a record, Jazz begins with the thoughts and patterns of a singular character, expanding the perspective gradually until the melody of a single mind mingles with those of others, creating a complex and breathtaking song of a whole community. And, as the principle of a record player’s needle is reflected on all narrative levels in the novel, imbuing Jazz with a visceral symmetry akin to the shapes of sacred geometry, the narrator’s voice itself loses its subjectivity, transforming into the voice of a collective consciousness over time.

Jazz is the second book in the Beloved Trilogy – as such, its purpose is to explore the concept of love. In this particular case, Morrison dives into the tempestuous and volatile romantic love; the novel begins and is driven by the murder of a young girl by her middle-aged, married lover. However, Jazz isn’t limited to a study of the yearning and obsession that lurk in the shadows cast by the luminosity of amorous entanglements. Rather, Morrison’s choice of central event and the societal responses to it reflect a reality particular to the Black community in the US – the tragic and oftentimes deadly loyalty demanded from Black women as proof of their love. In fact, as Morrison herself states in the foreword to the novel, the book was inspired by a true event, namely, a James Van Der Zee photograph of a deceased teen-age girl who, in an act of self-sacrificial devotion, purposefully kept postponing revealing the name of the man who had shot her until she finally bled out and died. Despite all this, Jazz refuses to be a tragedy: it is ambiguous to its core, much like the city in which it takes place. Although it explores several settings, the main milieu in the novel is New York, or, more precisely, Harlem. The City, as Morrison refers to the locale in the book, is synonymous with both jazz music and the concept of love, thus serving as a point of intersection between them. The reader is invited to experience the ever-changing rhythms and loves of the City, as recorded on the musical sheet that is Morrison’s uniquely enchanting novel.

Jazz is an extremely versatile novel, and as such it’s a rewarding experience for almost any reader. To those who seek stylistic refinement, Jazz offers a gorgeous, elegantly flowing prose; for those looking to learn about a history and culture beyond their own, Jazz prepares several decades’ worth of personal stories from various social backgrounds; and those who enjoy complex, fleshed-out characters will find themselves in the company of a cast both realistic and unpredictable. All in all, it is advisable to tune into the tantalizing frequencies of Toni Morrison’s Jazz.

Bryan Washington: Lot

Von Lisa Neumann

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Bryan Washington
Lot

Atlantic Books: London 2020
235 Seiten, 9,49€

Nicolas, der Sohn einer afro-amerikanischen Mutter und eines hispanischen Vaters liebt Jungs. Nur kann er das in seiner Familie und da, wo er wohnt, erstmal niemandem erzählen. Also wächst er mit seinem Geheimnis auf, in einer Gegend in Arizona, die nicht vom American Dream profitiert, sondern in der die Menschen, teils illegale Einwanderer ohne Bleiberechte, im täglichen Sehen-und-Gesehen-Werden der Nachbarschaft gegen die Armut und ums Überleben kämpfen.

Es gelingt Bryan Washington in seinem Erzähldebüt aus dem Jahr 2019, in all dieser Härte Sanftheit und Zärtlichkeit zu finden in besonderen zwischenmenschlichen Begegnungen, die den Protagonist*innen der einzelnen Erzählungen Kraft und Stärke geben. Die nötige Kraft, um weiterzumachen.

Da ist Miguel, dessen Eltern aus Guatemala geflohen sind, um die kranke Tochter in der Hoffnung auf bessere ärztliche Behandlung in die USA zu retten. Aja, die eine geheime Affäre mit einem Weißen eingeht, von der ihr Mann nichts wissen darf. Raul, ein obdachloser Hispanic, der von einem lokalen Drogendealer aufgenommen wird. Ein Drogendealer, der bald zu Rauls Ersatzvater wird.

In all diesen Erzählungen aus der Neighborhood kommt immer wieder die Bedeutung von zwischenmenschlicher Liebe zu Geltung, egal ob zwischen Mutter und Sohn, anfangs Fremden oder innerhalb einer Familie. Washingtons Geschichten glänzen in der Dunkelheit der Armut, die seine Protagonist*innen umgibt. Ein Must-Read, der uns gerade in diesen schwierigen und teils einsamen Zeiten an die Schönheit der Menschlichkeit erinnert!

Sharon Dodua Otoo: Adas Raum

Von Hanna Sellheim

Dass Sharon Dodua Otoo mit Adas Raum im vergangenen Jahr nicht für den Deutschen Buchpreis nominiert worden ist, erscheint immer noch erstaunlich, wenn nicht gar skandalös. Denn mit dem Roman gelingt es ihr nicht nur, relevante Themen geschickt zu verweben, sondern auch, erzählerisch neue Maßstäbe zu setzen.

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Sharon Dodua Otoo
Adas Raum

Fischer: Frankfurt 2021
320 Seiten, 22,00€

Adas Raum erzählt von vier Frauen, alle heißen Ada, alle haben mit zuweilen lebensbedrohlichen Diskriminierungserfahrungen zu kämpfen – im kolonialisierten Ghana, im viktorianischen England, im Konzentrationslager und auf dem Berliner Wohnungsmarkt. So viele historische Kontext aufzurufen und unter einen Hut zu bekommen, ist ein Unterfangen, das leicht nach hinten losgehen könnte. Doch Otoo gelingt es, dass die Vielfalt die Leser:innen nicht erschlägt, sondern vielmehr für Kontinuitäten sensibilisiert.

Das liegt auch an der ungewöhnlichen Erzählweise: Der Roman ist makellos konstruiert und wagt Experimente, die aufgehen. Die Erzählstimme irrlichtert durch verschiedene Blickwinkel, erzählt aus der Sicht von Objekten und stellt so Fragen nach Identität und agency. Es ist diese Idee von Verbundenheit, von Solidarität unter Frauen, die dem Roman bei aller Düsterheit und Resignation angesichts von sich immer wiederholenden Machthierarchien eine hoffnungsvolle Perspektive gibt. Dadurch driftet der Roman an einigen Stellen beinahe ins Esoterische, fängt sich aber immer wieder in seinem subtilen, ironischen Witz.

Warum einem so innovativen Werk keine Buchpreis-Nominierung vergönnt war, zum Beispiel der Neuauflage einer reichlich überbewerteten Autofiktions-Spielerei aber schon – nun, dazu kann man nur spekulieren. Oder man spart sich das leidige Aufregen über den deutschen Literaturbetrieb und liest stattdessen Adas Raum.

Eine ausführliche Rezension findet ihr hier.

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