Taylor Jenkins Reid ist dafür bekannt, die Lebensgeschichten fiktiver Stars zu Erzählungen aufzubereiten, die berühren, erschüttern und stets die Frage aufkommen lassen, ob eine Existenz im Rampenlicht nicht zu Unrecht romantisiert wird. Ihr neuester Roman Carrie Soto Is Back zeigt den Aufstieg und Fall der besten Tennisspielerin der Welt.
Von Charlotte Schade
Nachdem sie bereits über Schauspieler:innen, Bandmitglieder und Models geschrieben hat, wagt Taylor Jenkins Reid sich mit Carrie Soto Is Back in die Welt des Profisports. Carrie Soto ist eine Tennisspielerin der Spitzenklasse, die mit 37 Jahren aus dem Ruhestand zurückkehrt, um ihren Rekord für die meisten Grand-Slam-Titel zu verteidigen. Trainiert wird sie dabei von ihrem Vater, der ebenfalls ein Ex-Profi ist. Was zunächst nach leichter Unterhaltung klingt, offenbart im Laufe der Handlung immer mehr Tiefe: Zentral sind dabei vor allem Carries obsessiver Ehrgeiz und ihre Besessenheit mit dem Gewinnen. Reid zeichnet dabei das Bild einer Frau, deren scheinbar einziger Lebensinhalt darin besteht, Superlativen nachzujagen.
Im Zusammenhang mit Carries ausufernden Ambitionen spielt ihre Beziehung zu ihrem Vater, die vor allem durch Rückblenden in Carries Kindheit und Jugend greifbar wird, eine wichtige Rolle. Javier Soto drillt seine Tochter von Beginn an, die Beste zu sein. Und doch ist es gerade dieses in Carrie manifestierte Gedankengut, das im Laufe ihrer Karriere zu einer Entfremdung zwischen den Figuren führt. Während ihr Vater sich mit zweiten Plätzen zufriedengeben kann und für ihn, je älter er wird, die Freude am Spiel im Vordergrund steht, ist Carrie besessen davon, Rekordhalterin zu bleiben. Mithilfe eines langsameren Erzähltempos und den ausführlichen Schilderungen der sich immer wiederholenden Trainingseinheiten in den Kindheitsrückblenden gelingt es dem Roman, auf formaler Ebene abzubilden, wie die Protagonistin nach und nach zu der Person geformt wird, die sie in der erzählten Gegenwart ist – eine »Kampfmaschine«, wie die Medien sie nennen.
Was bedeutet es, eine Frau im Profisport zu sein?
Indem kontinuierlich auf die mediale Rezeption Carries eingegangen wird, schlägt der Roman eine Brücke zur toxischen Medienlandschaft der Gegenwart, in der Sportlerinnen weniger ernstgenommen werden als ihre männlichen Kollegen. Der Roman spielt damit, die Handlung mit Zeitungsartikeln, Pressemeldungen und Talkshow-Interviews aufzubrechen, in denen über Carries Rückkehr in die Tenniswelt diskutiert wird, die in vielen Fällen belächelt wird. »Soto ist nur ein weiterer verzweifelter Promi, der nach Aufmerksamkeit lechzt. Man wünschte ihr, sie hätte inzwischen eine Familie gegründet oder würde sich um ihre Stiftung kümmern. Aber nein. Jetzt steht sie wieder auf dem Platz«, heißt es in einer der Zeitungen. Ein anderer Journalist bezeichnet sie in einem Interview als »Schlampe«. Es ist vor allem diese Auseinandersetzung mit den subtilen und weniger subtilen Sexismen in der Berichterstattung, die aus Carrie Soto Is Back mehr machen als einen oberflächlichen Unterhaltungsroman.
Die zweite Hälfte des Buches dominieren vor allem detaillierte Spielberichte der Grand-Slam-Turniere. In variierender Ausführlichkeit und im Tennis-Jargon werden Ballwechsel beschrieben, Turnierverläufe dargelegt und sowohl Carries als auch die Strategien ihrer Gegnerinnen analysiert. Das ist stellenweise ermüdend und besonders für Rezipient:innen, die sich nicht ohnehin mit Tennis auskennen, kaum nachvollziehbar. Gut ist, dass Reid die Schilderungen immer wieder unterbricht, um Beschreibungen von Carries Gedanken und Gefühlen Raum zu geben, die für einen Großteil der Lesenden wesentlicher sein dürften als die zehnte Erwähnung einer spezifischen Fußstellung oder eines Rückhandschlages. Anstrengend zu lesen bleiben diese Passagen trotzdem oft.
Taylor Jenkins Reid
Carrie Soto Is Back
RandomHouse: New York 2022
384 Seiten, 15,99€
Das Festhalten an Vergangenem
Carrie Soto Is Back ist ein Roman, der sich auf originelle Art und Weise damit auseinandersetzt, was es bedeutet, einen Traum zu haben und dabei eine Person des öffentlichen Lebens zu sein. Hierbei wird zunehmend klar, dass es in Carries Fall weniger um die Verwirklichung eines Traumes oder das Erreichen eines Zieles geht – es ist das Festhalten an Vergangenem und die Unfähigkeit, Erfolge als in sich geschlossene Ereignisse zu betrachten, die keiner Fortsetzung bedürfen, um bedeutsam zu sein. Indem der Roman Fragen der Identität im Laufe des eigenen Lebens verhandelt, zeigt er auf, dass es schlichtweg nicht möglich ist, sich dem Laufe der Zeit zu entziehen. Er demonstriert aber gleichzeitig, dass das nicht zwingend etwas Negatives sein muss, ganz nach dem Motto: Das Leben geht weiter – und das ist gut so.