Schluckauf und Patriarchat

Die Inszenierung von How to Date a Feminist im ThOP zeichnet und überzeichnet ein unbequem scharfes Bild der modernen Gesellschaft und ihrer prätentiösen Aufgeklärtheit. Es fordert das Publikum dazu auf, eingerostete Denk- und Verhaltensmuster zu entstauben und neu zu hinterfragen.

Von Myron Christidis

Bilder: Dirk Opitz

Nach einer viel zu langen Pause öffnet das Theater im OP endlich wieder seine Tore für alle Liebhaber:innen der kulturellen Abendunterhaltung. Mit den Toren öffnet sich am 11. Mai auch der Vorhang für das Stück How to Date a Feminist aus der Feder der britischen Schriftstellerin Samantha Ellis. Die Thop-Regisseurin Anisha Blanke feiert mit dieser Inszenierung ihre Regie-Premiere und zaubert dabei gemäß dem Titel eine romantische Komödie auf die Bühne, die nicht die altbekannten Muster wiederkäut, sondern stattdessen dem Publikum erfrischend direkt viele wichtige Fragen stellt – allen voran: Wie datet man eigentlich einen Feministen?

Von Männern in Strumpfhosen und unsichtbaren Pommes

Die Handlung folgt dabei zunächst recht linear der bewährten Formel boy meets girl. Die Journalistin Kate (Sophia Heidenreich) ist von ihren bisherigen Partnern enttäuscht. Auf einer Kostümparty trifft sie, verkleidet als Wonder Woman, auf den freundlichen Robin-Hood-Verschnitt Steve (Oliver Trost) in Strumpfhosen, der ihr Männerbild – und vielleicht auch das des Publikums – gehörig auf den Kopf stellt. Bei einem gemeinsamen Abendessen im Fish‘n‘Chips Laden um die Ecke beginnen die beiden über die Liebe und den Feminismus zu philosophieren. Daraus entfaltet sich eine skurrile Geschichte um das frisch verliebte Paar Kate und Steve, deren Ex-Partner:innen Ross (Ben Arnold) und Carina (Katharina Koch), und den Kampf gegen kaputte Strumpfhosen, den Schluckauf und das Patriarchat.

Kate (Sophia Heidenreich) und Steve (Oliver Trost) lernen sich kennen. Bild: Dirk Opitz

How to Date a Feminist lässt die Zuschauer:innen jedoch nicht bloß verträumt der Entwicklung der Figuren  folgen, sondern fordert es dazu auf, sich selbst zu entwickeln. Das Stück versteht es, dem Publikum dabei nie wirklich auf die Füße zu treten, es aber auch nicht in Ruhe zu lassen. Man wird sich im Laufe des Abends also die ein oder andere unangenehme Frage gefallen lassen müssen. Schritt für Schritt gibt die Inszenierung mehr preis über Figuren und Handlung und jeder und jede darf sich selbst aussuchen, an welchem Punkt er oder sie sich ertappt fühlt.

So ist der sympathische Steve Vegetarier und kann kein Auto fahren – darf ein ›echter Mann‹ Vegetarier sein? Ist das noch zu wenig, wird ein Gang zugelegt und auch die Damen bekommen dabei ihr Fett weg: Kate hat sich für ihr Date den Tag frei genommen und sich etwa neun Stunden vorbereitet. Intimwaxing, Maniküre, Pediküre, alles Mögliche eben und völlig übertrieben, oder? Sicherlich die Spitze des Eisbergs, aber nicht so weit hergeholt, wie es dem Einen oder der Anderen vielleicht lieb wäre. Schließlich schießt Steve den Vogel ab, wenn er sich bei seinem Liebesgeständnis für das Patriarchat entschuldigt. Ein Mann allein trägt doch nicht die Schuld für das Patriarchat? Sicher nicht, vielleicht aber eine Teilschuld. Und selbst wenn diese Offenbarung den Stolz kränkt: Eigentlich ist es gar keine so blöde Idee, sich hin und wieder dafür zu entschuldigen – oder zumindest mal darüber nachzudenken.

Feminist oder Fehlanzeige?

Die vielen zugegebenermaßen etwas abgenutzten Stereotype dürfen hierbei für sich selbst sprechen, sich enttarnen und eigenständig ins Lächerliche ziehen. Vorhang auf für den typischen Macho Ross, den selbstbewussten Macher, der sich nimmt, was er will. Viel sprechen muss er nicht, um überzeugend unsympathisch zu sein. Besonders bemerkenswert sind seine rekurrierenden Fummeleien mit Jenny, die ihn erfreulich albern aussehen lassen und den Sexisten in seinem Grundgerüst enttarnen – er vergreift sich an der leicht bekleideten Frau, die nicht zu viel redet. Tatsächlich redet sie nämlich gar nicht und ist für das Publikum unsichtbar, was die Frage aufwirft: Ist dieses Konzept einer Frau überhaupt noch zeitgemäß oder gibt es sie so vielleicht gar nicht mehr? Es gibt außerdem die barfüßige Hippie-Mutter Morag (Sophia Klaus) zu sehen, die im Friedenscamp für den Weltfrieden gestrickt hat – und dafür vom alten Cis-Mann Joe (Gabriel Robinson) ausgelacht wird, der immer nur das Beste für seine Tochter will – sofern sie bald heiratet. Egal wen, Hauptsache, es ist ein Mann.

Kates Vater Joe (Gabriel Robinson) wünscht sich eine Hochzeit. Bild: Dirk Opitz

Über all diese Klischees darf das Publikum schmunzeln, lachen oder auch die Stirn runzeln, doch klar wird: Irgendwie wachsen einer:m die meisten Figuren zumindest ein wenig ans Herz und die Antwort auf die Frage nach der Schuld rückt wieder etwas in die Ferne. Einzig Steve scheint dabei seiner untypisch feministischen Ader treu zu bleiben. Doch auch er muss schließlich erkennen, dass er Kate seine feministisch-progressive Denkweise nicht aufzwingen kann – er versucht es aber, und reiht sich damit ein in eine lange Tradition. »Einen Feministen? So etwas gibt es nicht!«, gesteht schließlich sogar Steves feministische Mutter und fordert das Publikum scheinbar dazu auf, ihr zuzustimmen – oder ihr zu widersprechen.

Eine etwas andere Lovestory

Inmitten all dieser bedeutsamen Gedanken und Konzepte bleibt die Atmosphäre meist leicht und locker. Die Inszenierung vollzieht im wahrsten Sinne des Wortes einen Tanz auf dem schmalen Grat zwischen Fremdscham und Vergnügen – und das sehr erfolgreich.  Einige unerwartete, mithin skurrile Tanz- und Gesangseinlagen zaubern dem Publikum außerdem immer wieder ein Lächeln ins Gesicht. Besonders gelingt dies durch die großartigen Darsteller:innen, die stets nachvollziehbar und authentisch bleiben – auch in den dramatischen, intensiven Szenen. Dieses Ensemble begleitet man mit Freuden auf die Reise durch eine etwas andere Lovestory. Denn das ist und bleibt How to Date a Feminist schließlich auch: eine romantische und mit gutem Recht etwas kitschige Liebesgeschichte, die uns das Ende schenkt, das wir verdienen – oder uns zumindest wünschen.

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