Räuber, die sich lieb haben

Das Deutsche Theater zeigt Astrid Lindgrens Kinderbuchklassiker Ronja Räubertochter als Theaterstück. Kann es gutgehen, eine aus Buch und Film bekannte und geliebte Geschichte auf die Bühne zu bringen? Simon Gottwald ist der Meinung: Ja, das funktioniert sehr gut.

Von Simon Gottwald

Bild: Rebecca Traud

Ein Blick in den vollen Saal des Deutschen Theaters Göttingen zeigt, dass Astrid Lindgrens Ronja Räubertochter sich noch immer großer Beliebtheit bei allen Altersstufen erfreut. Die Inszenierung von Theo Fransz (Regie) und Sonja Bachmann (Dramaturgie) begeht aber nicht den Fehler, Buch oder Film eins zu eins auf die Bühne übertragen zu wollen, sondern bringt gelungene Einfälle ein und zeigt viel Liebe zum Detail. Dabei beweist sie ein gutes Gespür für die eigentliche Zielgruppe dieses Theater-Nachmittags und lässt neugierige Tiere als muntere Handpuppen oder am Draht auftreten – oder auf einem ferngesteuerten Flitzer über die Bühne huschen. Eine aufwändige Videoprojektion belebt den Hintergrund mit Geistern, Wolken und Blitzen. Andauernd gibt es etwas auf der Bühne zu entdecken, immer wieder überrascht der Reichtum an Ideen.

Für jedes Alter etwas

Räuberhauptmann Mattis seilt sich in einer aufregenden Szene vom Schnürboden ab, um Ronja vor den Graugnomen zu retten und säbelt einem der Ungeheuer einen Arm ab – das klingt zwar martialisch, hat dem Monster, das nach dem Kampf um seinen Arm bittet, aber wohl gar nicht wirklich weh getan. Auch der entscheidende Zweikampf zwischen Mattis und seinem Konkurrenten Borka ist kindgerecht inszeniert und findet als von lustigen Geräuschen untermalter Schattenkampf vor und hinter einer Leinwand statt – und dass die beiden Kontrahenten nicht so ganz ernst zu nehmen sind, war spätestens in dem Moment klar, in dem sie sich kampfbereit machten und ihre Unterhemden mit Pony- und Prinzessinnen-Muster zeigten.

Auch für die Erwachsenen ist einiges dabei, zum Beispiel das ausnehmend gut gelungene Bühnenbild, das aus der Räuberburg eine Industrieruine und aus der Höhlenzuflucht von Ronja und Birk einen vollkommen verrosteten Straßenbahnwaggon macht. Räuberzwist in der Postapokalypse? Man weiß es nicht, man erfährt es nicht, aber um eine verkopfte Allegorie kann es hier gar nicht gehen.

Im Vordergrund steht die Freundschaft zwischen Ronja und Birk, den Kindern der beiden verfeindeten Räuberhauptmänner, die sich mehr als nur einmal das Leben retten. Genial ist die Lösung, die Sicherungskabel für den Sprung über die Schlucht der zerrissenen Burg in die Inszenierung miteinzubeziehen und die beiden angehenden Freund:innen die Sicherungen zwar selbstverständlich anlegen, aber sie auch thematisieren zu lassen (»Was machst du da? Das kann ich auch!«, trumpft  Ronja auf).

Ein Erzähler auf der Bühne

Damit die ganze Geschichte in einen Rahmen passt, den auch kleinere Aufmerksamkeitsspannen erfassen können (ich nehme mich hier ganz entschieden nicht aus) werden einige aus dem Film bekannte Szenen vom weisen Glatzkopf aus der Räuberbande Ronjas raffend erzählt, was dem Stück aber nicht zum Nachteil gereicht. Außer vielleicht zum Ende: Da ist auf einmal etwas viel Wort und etwas wenig Geschichte. Das tut der Begeisterung im Publikum aber offensichtlich keinen Abbruch. Und wer würde es wagen, den wohl ehrlichsten Kritiker:innen der Welt zu widersprechen, die Applaus und Fußgetrampel spendeten?

Info

Weitere Vorstellungen gibt es am 25., 27., 28. und 29. November sowie am 4., 5., 11., 12., 13., 15., 16., 18., 19., 20., 23. und 26. Dezember.

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