»Man sollte sich nicht allzu sehr in den eigenen Text verlieben«

Sven Grünewald steht kurz davor, seinen Roman Doctörhead zu veröffentlichen. Im Interview erzählt der Göttinger Dozent und Journalist von seinem ersten Projekt, dem Veröffentlichungsprozess und der Herausforderung, neben dem Beruf literarisch zu schreiben.

Interview von Sofia Peslis

Titelbild: Via Pixabay, CC0

Journalist Sven Grünewald, der im Rahmen des journalistischen Zertifikates der ZESS an der Universität Göttingen lehrt, ist gerade dabei, sein erstes Buch mit dem Namen Doctörhead zu veröffentlichen. Doch wie lässt sich das Interesse am literarischen Schreiben mit dem Berufsleben vereinbaren und mit welchen Schwierigkeiten muss man rechnen? Im Interview geht er auf Hürden im Schreibprozess ein, beschreibt einen typischen Tagesablauf und erklärt, woher seine Inspirationen und Ideen kommen.

Du bist gerade dabei, dein erstes literarisches Projekt Doctörhead zu beenden. Worum geht es?

Inhaltlich geht es um das Überleben im »Mikrokosmos Uni« als Doktorand. Man kann schon sagen, dass es autobiographisch geprägt ist, obwohl ich selbst nicht promoviert habe. Es ist eine Sammlung aus persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen von Freunden, nicht nur aus Göttingen, kombiniert zu einer Romanerzählung. Die Geschichte erstreckt sich über ein Studienjahr und ich habe versucht, die verschiedenen Uni-charakteristischen Ereignisse chronologisch in die Romangeschichte des Protagonisten einzubauen.

Sven Grünewald ist Journalist und Dozent an der Uni Göttingen, aber auch Autor. Bild: Alciro da Silva

Woher kam deine Inspiration?

Ich liebe die Uni. Und gleichzeitig kann sie ein sehr frustrierender Ort sein. Dieses Spannungsverhältnis wiederzugeben, war mein Ziel. Der Titel soll in Anlehnung an Motörhead eine Art Widerstandshaltung gegen die Zwänge und Absurditäten der Uni darstellen. Woher also meine Inspiration kommt? Aus dem eigenen Leben. Themen liegen letztendlich auf der Straße. Meine Idealvorstellung ist es jedoch, Themen und Ereignisse, die einen beschäftigen und die man reflektieren sollte, mit einer interessanten Handlungsgeschichte zu verknüpfen. Ich finde es gut, wenn man nicht nur eine spannende Geschichte erzählt, sondern Leute zum Nachdenken anregt.

Wie bist du zum Schreiben gekommen?

Zum Schreiben bin ich erstmals durch den Deutschunterricht gekommen, als wir eine kreative Geschichte schreiben sollten. Es war für mich wichtig, zum ersten Mal Feedback zu bekommen, das einem sagt: Hey, was ich hier mache, scheint anderen tatsächlich zu gefallen. Zum Studienbeginn habe ich mit zwei Freunden eine Idee für einen Roman entwickelt, den ich dann auch geschrieben habe. Im Endeffekt war das für die Tonne, aber es war ein guter Einstieg, um später typische Fehler zu vermeiden. Ich habe im Laufe der Zeit dann immer mal wieder Gedichte geschrieben oder Ideen für Bücher gesammelt, aber das erste ernsthafte Projekt ist nun Doctörhead.

Was fasziniert dich am Schreiben?

Ich glaube, viele Menschen haben eine künstlerische Ausdrucksform; für mich ist es das Schreiben. Du kannst quasi deine eigenen Welten bauen. Und es ist auch in vielerlei Hinsicht sehr therapeutisch.

Wie funktioniert es zeitlich, neben deinem Job ein Buch zu schreiben?

Es ist schwierig. Ich würde sagen, dass zum Schreiben hauptsächlich Kontinuität gehört. Ich komme sehr leicht aus dem Schreibfluss raus, wenn ich mal ein paar Tage Pause mache. Dann gammelt die Textruine vor sich hin. Deswegen bin ich der Meinung, man muss sich gezielt hinsetzen, sich die Freiräume schaffen und eine Form von Arbeitsdisziplin entwickeln.

Der Roman während des Studiums schrieb sich relativ gut, weil es dafür eben zeitliche Freiräume gab. Nach zehn Stunden in einer Verlagsredaktion oder am Ende eines Unterrichtstages ist man aber einfach geistig leer. Zeit hatte ich erst, als ich bei der Zeitung aufgehört und mich als freier Journalist selbständig gemacht habe.

Es bietet sich also schon eher an, neben dem Studium zu schreiben als neben einem geregelten Fulltime-Job. Man unterschätzt auch immer gerne, wie viel Zeit es eigentlich kostet, eine A4-Seite mit gutem Text zu füllen.

Wie sieht bei dir der typische Ablauf eines Tages aus, an dem du schreibst?

Für mich besteht die Schwierigkeit darin, in den Schreibprozess reinzukommen. Ich prokrastiniere gerne, aber wenn ich erstmal in einem Schreibflow drin bin, läuft es gut. Insofern war es für mich zunächst wichtig, eine Regelmäßigkeit zu bekommen, was auch heißt, auf Ablenkungen zu verzichten. Ich habe zum Beispiel größere Teile des Buches in der SUB geschrieben: ein bestimmter fester Platz, kein Internet, Kopfhörer rein, Musik an, alles ausblenden.

Manchmal hatte ich auch Phasen, in denen ich nur nachts geschrieben habe, dann wieder nur vormittags. Nach der Tageszeit richtet sich natürlich auch der Tagesablauf.

Das selbstgesteckte Ziel war immer mindestens zwei Seiten Text. An sehr guten Tagen waren es dann auch mal fünf, sodass der gesamte Schreibprozess bei ungefähr neun Monaten lag.

Aber den Kopf zwischendurch freizubekommen, halte ich auch für wichtig. Mal einen kurzen Spaziergang machen, Sport, oder einfach ein paar Minuten hin- und hergehen. Auch nach einiger Zeit die Umgebung zu wechseln, kann helfen.

Was sind die größten Hürden im Schreibprozess?

Die größte Hürde ist für mich sicherlich ein fehlender Schreibflow, beziehungsweise dessen Unterbrechung. Wenn du einmal aus deiner Geschichte raus bist, ist es schwer, wieder einen Anfang zu finden. Man entwickelt eine Distanz zu seinem eigenen Text, sodass man sich schon fast nicht traut weiterzuschreiben. Das ist natürlich irrational, aber trotzdem eine große Hürde. Aber auch, wenn man zwar eine Idee hat, aber nicht genau weiß, was eigentlich passieren soll oder worauf es hinaufläuft. Die Story-Entwicklung aufzuschreiben und dabei jedes Kapitel runterzubrechen, half mir immer beim zielgerichteten Schreiben. So lassen sich auch verschiedene Ideen kanalisieren, die einem erst beim Schreiben kommen. Am schlimmsten ist es natürlich, wenn jemand gerne etwas schreiben würde, aber gar keine Idee hat, wie. Angst vor einer weißen Seite habe ich aber persönlich noch nie gehabt, ich konnte immer irgendwie einen Anfang finden. Und der wird im Laufe des Schreibprozesses sowieso noch zigfach geändert.

Wie weit bist du denn mit dem Buch?

Reihe

Literarisches Schreiben neben Studium oder Beruf – wie geht das? Und welche Publikationsmöglichkeiten gibt es? Diese Fragen wollen wir beleuchten und führen dafür Interviews mit Autor:innen an der Uni Göttingen. Ihr habt Lust, euch einzubringen, ob als Interviewte:r oder als Reporter:in? Dann schreibt einfach eine Mail an info@litlog.de!

An sich bin ich mit dem Buch schon lange fertig. Der letzte Schritt ist das Kürzen und letztmalige Überarbeiten. Was die Veröffentlichung angeht, ist es bei Verlagen eher schwierig, da diese vorab zu selektieren scheinen, was denn überhaupt ökonomisch erfolgsversprechend ist und zum Beispiel bei Amazon gut als Ebook ankommt. Insofern werde ich genau das tun und mein Buch als Ebook im Selfpublishing herausbringen. Heutzutage gibt es ja auch viele verschiedene Plattformen und Möglichkeiten, sich gut selbst zu promoten.

Was sind deiner Meinung nach die Vorteile von Selfpublishing?

Natürlich hat alles seine Vor- und Nachteile. Wenn man sein Buch über einen Verlag veröffentlicht, kann man sich auf eine etablierte Struktur, die im Hintergrund für einen arbeitet, verlassen. Ein Lektorat und ein Team, das weiß, wie man Dinge vermarktetet, kann besonders nützlich bei Folgetiteln sein. Letztendlich bleibt einem aber erstmal vom Gewinn nicht viel übrig. Im Gegensatz dazu wird beim Selfpublishing nur ein geringer Prozentsatz abgegriffen – alles andere bleibt dann aber auch an dir selbst hängen.

Stichwort Folgetitel: Hast du schon etwas Neues geplant?

Etwas Konkretes habe ich noch nicht geplant. Es existiert aber eine große Datei mit Ideen, die ich immer wieder ergänze. Dadurch entsteht ein paralleles Arbeiten an verschiedenen Geschichten. Gelegentlich arbeite ich auch mal eine längere Szene oder einen spontanen Einfall aus. Dies würde ich aber im Moment eher nur als Brainstorming betrachten. An Ideen mangelt es aber nicht.

Hast du vielleicht abschließend ein paar Tipps für Leute, die selbst schreiben oder gerne damit anfangen würden?

Was für mich sehr wichtig war und was ich jedem empfehlen würde, sind Probeleser. So oft hängt man in seiner eigenen Blase und kann schlecht einschätzen, ob sich etwas gut liest oder nicht. Probeleser geben zum einen Motivation, weiterzuschreiben, aber eben auch nötiges kritisches Feedback, ob das, was man sich überlegt hat, eigentlich so gut ist. Dabei muss man jedoch auch mit Enttäuschung und Kritik rechnen. Nicht jedes Thema, nicht jeder Stil ist für jedermann.

Außerdem sollte man nicht vergessen, dass kein Text druckfertig aus der Tastatur kommt. Charaktere müssen angepasst, Rollen verändert werden. Überarbeitungen sind ein Muss, auch wenn es der Part ist, der am meisten Zeit in Anspruch nimmt – vor allem, wenn man kürzen muss. Manchmal müssen Personen komplett aus der Story entfernt werden oder man muss ganze Szenen löschen. Letztendlich kann ich jedem nur empfehlen, sich nicht allzu sehr in seinen eigenen Text zu verlieben und harte Schnitte nicht zu vermeiden.

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