Kann Pfarrer Ivan mit seinem festen Glauben an das Gute im Menschen den Neonazi Adam resozialisieren? Schafft es Adam, Ivan vom Glauben abzubringen? Und wird ihm sein Apfelkuchen gelingen? Adams Äpfel bietet zwischen schwarzer Komödie und Parabel einen starken Abschluss der Figurentheatertage 2017.
Von Simon Sendler
Bild: Islande 2011 (2) 332 von stephane333 via Flickr
Der Neonazi Adam wird auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen und einem Resozialisierungsprogramm in der tiefsten Provinz zugewiesen. Hier versucht Pfarrer Ivan mit einem unerschütterlichen Glauben an das Gute im Menschen, Straftäter und gescheiterte Existenzen wieder auf den rechten Weg zu bringen. Für die Dauer seines Aufenthaltes soll sich Adam ein beliebiges Arbeits-Projekt aussuchen und entscheidet sich kurzerhand, einen Apfelkuchen backen zu wollen. Also trägt ihm Ivan auf, den Apfelbaum auf dem Kirchhof zu pflegen, um mit den Früchten irgendwann einen Kuchen herzustellen. Während der Baum von immer neuen Plagen befallen wird, denen mehr und mehr Äpfel zum Opfer fallen, richtet Adam seine Energien auf ein neues Projekt: Ivan von seinem unerschütterlichen Lebens-Optimismus und Gottesglauben abzubringen.
Präsentiert wird das alles von Detlef A. Heinichen vom Theatrium in Dresden, der eine sehr vorlagentreue Adaption des gleichnamigen Films von Anders Thomas Jensen aus dem Jahre 2005 inszenierte. Heinichen stellt als Erzählinstanz auch gleichzeitig einen Arzt im nächstgelegenen Krankenhaus dar, welches die Figuren im weiteren Verlauf der Handlung noch häufig besuchen werden.
Die Bühne ist aufgemacht wie ein schlichtes Büro. Außer Schreibtisch, Stuhl und Apfelbaum finden sich hier kaum Gegenstände. Aus diesem Wenigen macht Heinichen allerdings sehr viel, und so kommt zum Beispiel eine Schreibtischschublade abwechselnd als Auto und als Krankenhausbett zum Einsatz. Die gewisse Hektik, die in den Szenen mit einer größeren Figurenansammlung auf der Schreibtischplatte entsteht, verträgt sich nicht immer unbedingt mit dem eher ruhigeren Erzählton des Stücks, ist aber nie störend.
Ebenso simpel wie effektiv sind auch die Stabfiguren selber gestaltet. Die karikaturhaften Gesichter und nie ganz richtig sitzenden Kleidungsstücke passen hervorragend zu den Randfiguren der Gesellschaft, die Ivan um sich sammelt. Auch wenn keine der Figuren bewegliche Extremitäten besitzt, wirken sie durch Heinichens enthusiastisches Spiel in entsprechenden Situationen voller Gemütsregungen sehr lebendig. Gleichzeitig nimmt man ihnen aber auch Apathie und Starrsinn ab; man nehme hier den unerschütterlichen Gleichmut als Beispiel, mit dem Adam sämtliche Vorgänge in Ivans kleinem Wohnprojekt straft. Besonders eindrucksvoll ist diese unbewegliche Bewegung bei Ivan umgesetzt, der als Figur die größten emotionalen Wandlungen durchläuft: Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich merklich, je mehr von seinem eigenen Privatleben, das dem seiner Schützlinge in Sachen Schicksalsschlägen in nichts nachsteht, von Adam ans Licht gebracht wird.
Der hier notwendig werdende Einsatz des Arztes (und Erzählers) birgt einen inszenatorisch gelungenen Kniff: Mensch und Puppe, reale und fiktionale Ebene verschmelzen miteinander, machen die Absurdität des Plots deutlich. Insbesondere in dem Moment, als der Arzt den letzten Nerv verliert: Kann es wirklich sein, dass sich alles so zugetragen hat, wie er es dem Publikum präsentiert? Muss er an seiner Profession zweifeln, weil Adams ehemalige Neonazi-Kameraden Ivan mit einem Kopfschuss nicht töten, sondern ihn aus Versehen von einem Hirntumor befreien, den der Arzt für unheilbar gehalten hat?
Dass Heinichen sich von der Ergänzung der Erzählinstanz abgesehen eng an das Original anlehnt, ist eine gute Entscheidung, da Jensen mit seinem Film ein Drahtseilakt gelingt, wenn er das groteske und skurrile Geschehen dosiert und mit viel schwarzem Humor spickt, ohne ins Peinliche oder Geschmacklose abzurutschen.
Info
Vom 11. bis zum 27. Februar 2017 präsentierten sich während der 32. Göttinger Figurentheatertage 36 Aufführungen in Göttingen und Umgebung. Die Leitung des Festivals hat seit 2009 Christiane Mielke vom Fachdienst Kultur der Stadt Göttingen inne.
Ob nun als Film oder Figurentheater: Adams Äpfel ist, das muss man ehrlich sagen, Geschmackssache. Nicht jede/r wird sich an dem bitterbösen Humor und dem skurrilen Geschehen erfreuen können und manche Szenen für »zu viel« halten. Wem allerdings der Sinn nach einem kurzweiligen Abend voller sarkastischer Unterhaltung steht, dem sei diese Adaption von Adams Äpfel wärmstens empfohlen. Und da Heinichen mit vielen kleinen Einfällen und dem ganz eigenen Charme des Figurentheaters das Geschehen passend umsetzt und durchaus ungewöhnlich präsentiert, ist das Stück auch gestandenen Fans des Films zu empfehlen, die sonst vielleicht Schwierigkeiten haben, sich auf Abwandlungen in der Rezeption einzustellen.