In Die Verbesserung der Welt rät Stefan Klein unter anderem dazu, in die heimischen Brunnen Kois einzubürgern, um japanischen Touristen die kulturelle Einfühlung zu erleichtern. Sein Handbuch bietet skurrile Interventionen für den Alltag. Das hat Potenzial – das aber ungenutzt bleibt.
Von Felix Keutel
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Wenn vorgeschlagen wird, man solle doch mal versuchen mit Fremden an Bushaltestellen gemeinsam Kumbaya oder Imagine zu singen: Ist das dann Utopie – oder Schwachsinn? Stefan Klein würde darauf vielleicht antworten: Ja. Denn der Herr ist Künstler, und die haben es bekanntlich nicht so mit der Eindeutigkeit.
Stefan Klein lebt in Berlin und hat sich vor allem der Konzeptkunst verschrieben. Neben Interventionen und Installationen, wobei der Text zu seinem neuen Buch Die Verbesserung der Welt entstand, kauft er auch schon mal bei Amazon ein Buch über Mikroökonomie und sendet es wieder zurück, kauft es anschließend wieder, schickt es zurück … das Ganze sechsmal, um dann die Quittungen auszudrucken und daraus schließlich ein eigenes Buch zu fertigen mit dem Titel: Introduction to Microeconomics. Erhältlich wiederum auf – natürlich – Amazon.
Fledermäuse schonen
Oder er reist (angeblich) an die fünf geräuschlosesten Orte der Erde, um dort Aufzeichnungen von purer Stille aufzunehmen – die allerdings logischerweise nur dann ›hörbar‹ sein können, wenn man sich selbst an einem Ort kompletter Stille befindet. Und er fragt: Welche Stille würde man dann eigentlich hören? – Die Abwesenheit, die Lücke und das Nichts sind wiederkehrende Themen in seinem Werk. Aber auch das Unscheinbare, die unmerkliche Veränderung spielt eine Rolle. In dieser Tradition steht auch Die Verbesserung der Welt. Ein Handbuch, das jetzt im unabhängigen Verlag Topalian & Milani erschienen ist.
Das kleine Handbüchlein gibt dem Leser 23 Handlungsanweisungen fürs Leben mit: mal poetisch, ironisch unterhaltsam oder skurril, manchmal leider auch banal satirisch. Aber immer vor allem eins: total unpraktisch.
In dieser Form (Anweisung – Mittel) sind alle Einträge geschrieben, so dass sich auch komische Effekte ergeben. Etwa wenn es heißt, man solle darauf achten, sich mit dem Partner über intime Dinge nur außerhalb von Frequenzen zwischen 9 und 200 kHz zu unterhalten, um die Fledermäuse im Dachboden nicht zu stören:
…Ist das Ding an?
Leider leistet sich Klein an manchen Stellen einen Allerweltszynismus, der sich weniger auf einem reflektierten, künstlerischen Level befindet als vielmehr auf dem von deutschem Besserwisser-Kabarett. Und genau wie bei Letzterem sollte klar sein: So wird die Welt nicht besser. So heißt es etwa:
Oh, come on, Mr. Klein! Das ist doch Stand-Up fürs Ü50-Publikum. Man kann beim Lesen quasi vorm inneren Auge sehen, wie irgend so ein Dieter Nuhr bei jedem Anglizismus ironisch sein Gesicht verzieht. Oder sowas hier: dass man bei kurzen innerdeutschen Flügen auf ein Verpflegungsangebot mit Bio-Produkten achten soll, um sich nicht den Magen zu verderben. Solche ›Widersprüche‹ aufzuzeigen (oder zu erfinden) hat in etwa den kritischen Scharfsinn von: Wie können Schüler*innen gegen den Klimawandel protestieren – dann aber zu McDonalds gehen!? – Es ist ein Rätsel.
Stefan Klein
Die Verbesserung der Welt
Topalian & Milani: Oberelchingen 2019
58 Seiten, 14,00 €
Von einem Künstler kann hier schon mehr Reflexion gefordert werden. Solche Phänomene (und die Leute, die dahinterstehen) von vornherein als lächerlich darzustellen, ist auch nur eine Ausrede, um sich nicht wirklich damit zu befassen. Dass man mit Ironie und plattem Zynismus die Welt nicht verbessert, sondern sich höchstens selbstgefällig in seiner Untätigkeit bestätigt, sollte im Jahr zweitausend-und-neunzehn-unseres-Herrn-und-Erlösers-Jesus Christus langsam mal common sense sein.
Letzte Ausfahrt: Absurdismus
In die gleiche Kerbe schlägt dann auch der letzte Eintrag:
Das ist ein plumper Fingerzeig auf den Strohmann. Dadurch, dass es sich um die letzte Handlungsanweisung handelt, drängt sich, auch wenn es ironisiert ist, eine absurdistische Lesart für das ganze Buch auf: Alles ist sowieso absurd. Die Utopie (die Welt zu verbessern) ist Schwachsinn, Schwachsinn ist die Utopie. Ende.
Schade. Beim Absurden zu enden war vielleicht in den 70ern noch cool, und Klein hat mit seiner Ironisierung schon Recht: Heute ist ›das Absurde‹ eben nur noch der aus dem Ärmel geschüttelte Joker für Intellektuelle, wenn ihnen gar nichts mehr einfällt. Es jetzt zu ironisieren macht es aber auch nicht frischer. Camus und Sartre sind seit fast 40 Jahren tot, ohne eine neue Wendung ist das nur noch muffig, da hilft kein Febreze und auch kein Augenzwinkern. Da muss man heute einfach weiter sein. Verwende hierzu: Innovation.
Anarchie im Alltag
Nochmal schade, weil: Interventionen für den Alltag – das ist eigentlich eine grandiose Idee. Ähnliches hat schon Clemens J. Setz in seinem genialen Türstopper Die Stunde zwischen Frau und Gitarre dargestellt: Die Hauptfigur des Romans belebt ihren Alltag dadurch, dass sie etwa händchenhaltende Paare teilt, indem sie mittendurch geht, der Schiebetür vom Supermarkt einen Namen gibt oder sich für jede Person vor sich in einer Schlange eine individuelle Todesart ausdenkt. Ein Handbuch für derartige anarchische Interventionen, mit denen man in die eigene Lebenswelt reinpfuschen kann, hat eigentlich großes Potenzial.
Aber das wurde nicht richtig genutzt. Die Verbesserung der Welt ist eben kein Handbuch, sondern ein Handbüchlein. In 10 Minuten ist man durch. Warum eigentlich? Warum nur 23 Handlungsanweisungen, warum so wenig? Das Buch ist enttäuschend, gerade weil die platte Satire überschattet, dass es durchaus Humor und Poesie besitzt. Zudem wurde es vom Verlag sehr ansprechend gestaltet: im Hardcover, mit schwarz eingefärbtem Buchschnitt, für jeden Eintrag individuell ein kleines, rätselhaftes Schwarz-weiß-Bild.
Trotzdem bleibt es eben etwas dünn. Eine gute Idee, allerdings nur mit einigen Perlen. Aber gut, Die Verbesserung der Welt, das ist ja nun wahrhaftig kein Hauptwerk. So kann es zumindest als Einstieg in das Schaffen eines nicht uninteressanten Künstlers dienen, der bei diesem Buch allerdings hätte etwas weiterdenken müssen.