Unter der ständigen Kontrolle des kommunistischen Regimes im Moskau der 30er Jahre projiziert der dieses Jahr 130 Jahre alt geworden Autor, Michail Bulgakow, seinen Unmut in eine vom Teufel beherrschte Stadt in seinem wohl bekanntesten Roman Meister und Margarita.
Von Katharina Bews
Bild: Via Wikipedia, gemeinfrei
Moskau, 1930. Der Teufel alias Voland, Professor für Schwarze Magie, ist in der Stadt. Mit an Bord: Behemoth, sein riesiger sprechender Kater, und Asasello, ein Todesdämon und Auftragskiller des Teufels. Neben dem geplanten Auftritt von Voland als Zauberkünstler und einem außergewöhnlichen Tanzball steht die Verwirrung der Moskauer Gesellschaft auf dem Programm.
Genauso verrückt und grausam wie das tatsächliche Moskau der 1930er Jahre beschreibt Michail Bulgakow das Leben in Russland zu dieser Zeit in seinem wohl bekanntesten Roman Meister und Margarita. Der dieses Jahr 130 Jahre alt gewordene russische Autor lässt in seinem satirischen Roman sehr viel Wahrheit über die damaligen Zustände der Sowjetrepublik einfließen und kommt damit, im Gegensatz zu vielen anderen kritischen Werken gegen das kommunistische Regime von Stalin, fast durch. Oft zensiert und in seinen kreativen Freiheiten eingeschränkt, steht Bulgakow dennoch in Stalins Gunst. Ein Leben außerhalb von Russland ist dem Autor jedoch auch nicht vergönnt.
Der Weg zum Schriftsteller
In Kiew geboren und aufgewachsen, studiert Michail Bulgakow Medizin und verübt im Jahre 1919 sein Amt im russischen Bürgerkrieg auf der Seite der Weißen Armee im Kaukasus. Der russische Bürgerkrieg der damaligen Zeit kennt nur zwei Seiten, die Bolschewiken oder die Rote Armee, und deren Gegner, die Weiße Armee.
Knapp dem Tode durch Typhus entwichen, entschließt sich Bulgakow im Jahre 1921, nach Moskau zu gehen und eine Karriere als Autor von Artikeln, Theaterstücken und Romanen zu beginnen. Selbst einige Jahre später unter der Herrschaft Stalins bleibt der Autor, trotz seiner Kritik an der Sowjetrepublik und seiner Position im Bürgerkrieg, stets im Schutze des Diktators. Stalin, der seine Kritiker üblicherweise verschwinden oder einsperren lässt, scheint bei Bulgakow jedes Mal eine Ausnahme zu machen und ihn zu verschonen.
Die Entstehung des Teufels
Sehr glücklich ist der Autor über die Unterstützung Stalins jedoch nicht. Er ist dazu verdammt, in einem von ihm verhassten Regime und unter der Last, seine Werke nicht veröffentlichen zu können, zu leben. Sein erstes großes Werk, Die weiße Garde, das nie als Buch erschienen ist, eröffnet einen Einblick in das Leben der gegen die Bolschewiken kämpfenden Soldaten. Eine weitere Reihe satirischer Schriften erfolgt mit seinen Werken Teufeleien und Heart of a Dog. Die Werke Bulgakows sind aufgrund ihres Unterhaltungsfaktor populär, dennoch werden sie von den Autoritäten in Russland aufgrund ihrer Kritik am System meist missbilligt.
Ende der 1920er Jahre wird das Regime unter Stalin strenger, die Auflagen härter. Bulgakows Theaterstücke und Schriften sind ab 1929 komplett von der Bühne verbannt. Um diese Zeit beginnt der Autor mit seinem Roman Meister und Margarita und projiziert seine Missgunst in eine vom Teufel beherrschte Stadt. Jegliche Versuche, nach Frankreich zu seinem Bruder zu reisen, bleiben ihm untersagt, dem Autor bleibt nichts, sein Name ist überall Tabu.
Es folgt ein Verzweiflungsakt: Ein Brief an den Diktator soll die Wogen glätten. Bei Stalin immer noch in der Gunst stehend, bekommt der Schriftsteller eine Anstellung am Moskauer Theater und somit die Möglichkeit, seine Stücke in diesem Rahmen aufführen zu dürfen. 1939 widmet Bulgakow dem Diktator ein Theaterstück. Doch erneut wird das Werk des Künstlers gebannt und der dadurch ausgelöste Unmut und die Angst vor den möglichen Konsequenzen durch Stalin, nimmt Bulgakow in seinem unstabilen körperlichen Zustand schwer mit. Der Autor leidet genetisch unter Bluthochdruck, der schließlich seine Niere schädigt. Er stirbt daraufhin Anfang des Jahres 1940.
Michail Bulgakow
Meister und Margarita
Übers. von Alexander Nitzberg
Galiani: Berlin 2012
608 Seiten, 29,99€
Des Meisters Wahnsinn
Die Leidensgeschichte des Schriftstellers und der Totalitarismus des Staates finden Einfluss in Meister und Margarita. Bulgakows Frau behält das Manuskript bis nach Stalins Tod für sich, sich der möglichen Folgen gewiss. Das erst im Jahre 1966 in zensierter Form veröffentlichte Buch ist eine Sensation in der sowjetischen Gesellschaft der poststalinistischen Zeit. Doch weitere zehn Jahren vergehen, bis der Roman in unzensierter Form publiziert wird.
Die Geschichte des Romans erzählt neben dem Besuch des Teufels in der Stadt den Leidensweg zweier Protagonist:innen, des Meisters und seiner Margarita. Als gescheiterter Autor sitzt der Meister in einer Heilanstalt und trauert seinem in Verruf geratenen Lebenswerk über Pontius Pilatus nach. Von seiner Geliebten, die unglücklich verheiratet ist, getrennt, verzweifelt der Meister. So wie Bulgakow selbst die ursprünglichen ersten Kapitel von Meister und Margarita verbrennt, da ihm die Zensur bewusst war, so wirft auch der Meister seinen Roman, mit dem Wissen der unwiderruflichen Zerstörung, ins Feuer.
Nur der Teufel selbst vermag die Vereinigung der beiden Liebenden Meister und Margarita zu ermöglichen. Durch harte und ungewöhnliche Prüfungen wird Margaritas Liebe dabei auf die Probe gestellt. Wie im kommunistischen Regime unter Stalin, verschwinden auch in Bulgakows Roman Menschen aus unerklärlichen Gründen. Der Teufel hat seine Finger überall im Spiel und lacht nur über die albernen Begierden der russischen Gesellschaft. Auch die Feigheit gegenüber unbekannten höheren Mächten spielt in diesem Sinne eine entscheidende Rolle:
In einer Nebengeschichte über Pontius Pilatus und dessen Entscheidung bezüglich der Hinrichtung Jesu, scheint selbst der römische Statthalter unter genau diesem Laster zu leiden.
Die Erlösung
Fliegende Hexen, sprechende Katzen, Totenbälle und irrsinnige Todesfälle – das alles sind Begleiterscheinungen im Roman Meister und Margarita. Auf wundervoll satirische Weise beschreibt der russische Schriftsteller Michail Bulgakow die Zustände der damaligen Zeit. Die Identifizierung des Staates als Akt des Teufels selbst bestätigt die kritische Position Bulgakows gegenüber den Idealen der Sowjetrepublik und liefert ihn somit dem Willen des Teufels persönlich aus. Als Meister des schriftlichen Wortes ist er verdammt dazu, in einer Zeit der Restriktion zu leben, gefangen in seinen eigenen vier Wänden und unter dem Einfluss eines nach Macht dürstenden Teufels stehend, dessen Gunst willkürlich erscheint. Doch wie der Autor bereits in seinem Roman beschreibt, erfolgt mit dem Tod zumindest die vollkommende Erlösung. Sein größter Wunsch wird letzten Endes erfüllt: Seine Werke werden bis heute gelesen und gefeiert und das ganz ohne Zensur.