Gesänge vom Lager

RP Kahl verfilmt mit Die Ermittlung das gleichnamige Drama von Peter Weiss. Es geht um den 1. Frankfurter Auschwitzprozess und entsprechend schwer und anstrengend ist es, diesen Film anzusehen. In diesem Kontext würde es sich seltsam anfühlen zu sagen, der Film sei gut. Aber er ist sehr gut gemacht.

Von Frederik Eicks

Bild: Luftansicht des KZ Auschwitz II (Vernichtungslager Birkenau). Aufklärungsbild der Royal Air Force, 23. August 1944, via Wikipedia, Public Domain

Als Erstes wird der »Gesang von der Rampe« angestimmt. Sie ist der Ort im Lager, an dem die deportierten Menschen, sofern sie nicht während der Fahrt durch die unhygienischen Bedingungen, fehlende Verpflegung und die stickige Luft im Viehwaggon umgekommen sind, selektiert wurden: Diejenigen, die beim Arbeitsdienst nutzbar ›verwertet‹ werden konnten, nach rechts; diejenigen, die ›sonderbehandelt‹ – bürokratisch-entmenschlichender Nazi-Sprech für ›umgehend getötet‹ – werden sollten, nach links. Wie der Titel verrät, besteht Peter Weiss’ Drama Die Ermittlung. Oratorium in 11 Gesängen (UA 1965) aus elf solcher Gesänge, die hier die Akte des Stücks bezeichnen. Es handelt von den Schrecken des Konzentrationslagers Auschwitz (polnisch: Oświęcim), wie sie im sogenannten 1. Frankfurter Auschwitzprozess, in dem 22 Männer aus dem ehemaligen Lagerpersonal angeklagt waren, in den Jahren 1963 bis 1965 zur Sprache kamen.

Weiss’ eigener Anspruch in diesem und anderen Stücken ist es, »Fakten zur Begutachtung« vorzulegen, »im Inhalt unverändert, in der Form bearbeitet«, wie er selbst 1968 in den Notizen zum dokumentarischen Theater schreibt. Dafür hat er seine eigenen Aufzeichnungen als Prozessbeobachter und die Berichterstattung der Presse genutzt. Gleich 1966 ist Die Ermittlung unter Regie von Peter Schulze-Rohr schon einmal verfilmt worden. Nun hat Regisseur RP Kahl mit dem gleichnamigen Film einen neuen Versuch gewagt, die schwierige Vorlage zu adaptieren. Das ist auch wegen der kontrovers geführten öffentlichen Diskussion des Stücks, die Christoph Weiß in Auschwitz in der geteilten Welt (Röhrig Universitätsverlag 2000) dokumentiert, eine Aufgabe, die Fingerspitzengefühl fordert.  Dabei herausgekommen sind vier Stunden bewegtes Bild, die das Drama zuallererst als Theaterstück zeigen – Weiss wird als alleiniger Drehbuchautor geführt – und es erst danach sanft mit filmischen Mitteln inszenieren. Gleichzeitig erfährt die Vorlage eine behutsame Aktualisierung. Der Film verlangt seinem Publikum einiges ab.

Angeklagte, die von gar nichts wissen

Nach einem klassischen Vorspann mit einigen unscharfen Fotografien vom gerade befreiten Lager, auf denen die Leichenberge noch zu erahnen sind, folgt ein kleiner Einleitungstext, dann die erste von elf Vignetten, welche die Titel der Gesänge ankündigen und Luftaufnahmen vom Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau-Monowitz zeigen, auf denen der jeweilige Ort des Geschilderten markiert ist. Nun der Schnitt in den Gerichtssaal, der einzige Ort des Geschehens im Stück – es handelt sich um ein Kammerspiel –, den die Kamera erst ganz am Schluss, nachdem das Stück der Weiss’schen Fassung vorbei ist, verlassen wird. Eigentlich ist das aber ein ›Gerichtssaal‹, ein großes Bühnenbild, das einen solchen Saal imitiert, dabei mit typischen Theaterrequisiten arbeitet. Ja, die Schauspieler:innen sind in diesem Raum entsprechend ihrer Rolle verortet, wie sie es ungefähr vor einem echten Gericht wären, aber die Inszenierung betont die Künstlichkeit des Ortes, des Stücks, des Films.

Wie sieht diese Bühne aus? Vorne, beziehungsweise von der Kameraposition aus links im Mittelgrund, sitzt der Richter (Rainer Bock) erhöht an einem großen Tisch, vor ihm, mittig im Bild, stehen die jeweiligen Zeug:innen. Im Vordergrund halbseitig rechts der Ankläger (Clemens Schick), noch weiter rechts und nie im Fokus befindet sich die Zeugenbank. Im Hintergrund mittig der Verteidiger (Bernhard Schütz) und rechts daneben schließlich die Bank der Angeklagten als Tribüne, auf der im Stück 18 Männer in drei Reihen sitzen. Diese ungefähre Position verlässt die Kamera nur selten. Niemals sehen wir den Gerichtssaal aus der Position des Anklägers, der mit seinen unangenehm bohrenden Fragen keine Rücksicht auf die Aufgewühltheit der Zeug:innen nimmt. Auch nicht aus der Sicht der Angeklagten, die sich hinsichtlich der gegen sie erhobenen Anschuldigungen verdächtig oft nicht an die Vorgänge im Lager und ihre eigenen Tätigkeiten dort erinnern können oder sich darauf berufen, nur Befehle befolgt zu haben.

Eruptionen auf der gespannten Oberfläche

Es ist eine nüchtern-strenge Ordnung, die der Film etabliert: Hier richtet man sich ein, wo man eben hingestellt ist, füllt die zugewiesene Rolle aus, interagiert nur im distanzierten Modus der Sprache mit den Mitmenschen. Dadurch werden klitzekleine Handlungen, die in anderen Filmen gar nicht bemerkenswert sind, weil sie ständig passieren, plötzlich zu einer aufregenden Überraschung, da sie das rigide Gerüst der durchformalisierten Verhandlung aufbrechen. So durchkreuzt der Ankläger, dem Aussehen nach zu urteilen der jüngste im Saal, im vierten »Gesang von der Möglichkeit des Überlebens« den Raum in Richtung Anklagebank, um den Hauptangeklagten Mulka (Wilfried Hochholdinger) mit dessen Einlassungen zu konfrontieren: Denn dass gerade er, als Adjutant des Lagerkommandanten der zweihöchste in der hiesigen Rangordnung, nichts von den Massentötungen im Lager, den unmenschlichen Haftbedingungen und dergleichen mitbekommen haben will, das ist völlig unglaubwürdig. Jede Bewegung, die nicht von den Zeug:innen stammt, die den Zeugenstand in der Mitte gerade betreten oder verlassen, jede Drehung wird in diesem Film zu einem Ereignis: Es sind winzige Eruptionen dessen, was unter der Oberfläche brodelt, die sich wölbt und spannt, aber nie aufreißt.

Die Wände des Saals sind mit schwarzem Tuch verhangen, Licht spenden nur die Scheinwerfer, welche die Figuren beleuchten. Oder sie auch mal im Dunkeln sitzen lassen, wie eine Reihe von Personen, die in einem Graben vor dem Richterpult sitzen, die meiste Zeit völlig unbeleuchtet. Wer wohl diese Menschen sein sollen, ist gar nicht so klar. Geschworene? Ein Theater-, ein Kinopublikum? Oft schaut man auf die Zeug:innen über die dunkel-verschwommenen Schultern dieser Leute im Vordergrund. Manchmal ist die gelungene Lichtsprache, die für den Film zentral ist, aber auch sehr eindeutig. Eine Zeugin, gespielt von Sabine Timoteo, wird zu den pseudomedizinischen Experimenten an jungen Frauen befragt, die im Lager durchgeführt wurden. Sie schweigt. Sie muss mehrmals aufgefordert werden, bis sie in die Vernehmung findet. Timoteos Gesicht ist hart, ihr Körper steif, von leichtem Zittern durchfahren. Eine Nahaufnahme zeigt die nervösen Zuckungen der Gesichtsmuskeln. Es ist eine sehr lange Einstellung, die Kamera hält schonungslos drauf. Zu Timoteos gekonntem Spiel kommt das Licht: Sie ist von allen Seiten hell erleuchtet, jede Rührung und jedes Fältchen werden sichtbar, sie wird den Anwesenden im Saal und auch dem Kinopublikum auf dem Silbertablett serviert, noch bevor sie dann auch in der Verhandlung vom Verteidiger vorgeführt wird. Dieser nämlich zweifelt an ihrer Zurechnungsfähigkeit, da sie von psychischen Problemen durch die Lagerhaft berichtet.

Die Zeug:innen im buchstäblichen Mittelpunkt

Es sind solche Momente, in denen Regisseur Kahl von Mitteln Gebrauch macht, die einer Theaterinszenierung nicht zur Verfügung stehen. Den Film zeichnet eine viel größere Nähe zu den Figuren aus als die Vorlage. Das gelingt durch eine Vorliebe für nahe und halbnahe Aufnahmen, dank derer die Schauspieler:innen gestische und mimische Schattierungen zeigen können, die im Theater auf dem Weg von der Bühne bis hinunter aufs Parkett oder hinauf in die Logen verloren gingen.  Eine große Anzahl von Nahaufnahmen kann schnell nerven, da ihr Einsatz dann beliebig wirkt und ihr Effekt verpufft. In der Ermittlung aber hat jede Einstellung ihren Grund. Bei den Zeug:innen, die als ehemals Inhaftierte aussagen, geht die filmische Nähe mit Einfühlung einher, bei Verteidiger und Angeklagten hingegen sorgt sie für Abstoßung: Je dichter man an diesen Männern ist, desto fratzenhafter und hochnäsiger wirken ihre Gesichtszüge. Das sind die Gesichter von Männern, die rein gar nichts bereuen. Als besonders schmierig, sich im Recht wähnend sticht Nico Ehrenteit in der Rolle des Hans Stark, ehemaliger SS-Oberscharführer, aus der Reihe an Angeklagten heraus – wobei in dieser Besetzung alle Spielenden überzeugen können.

Bild: IMDb
Die Ermittlung
Regie: RP Kahl
Drehbuch: Peter Weiss
Produktion: Alexander van Dülmen, Friede Springer
Hauptbesetzung: Rainer Bock, Clemens Schick, Bernhard Schütz

Überhaupt fällt der Fokus auf die Zeug:innen auf, die fast immer in der Bildmitte anzutreffen sind. Einerseits ergreift der Film, der tatsächlich das komplette 200-seitige Weiss-Stück ohne Kürzungen bringt und eben deshalb so lang ist, deutlich Partei für die ehemaligen Lagerinsass:innen, und folgt darin der Vorlage: Der Redeanteil der Zeug:innen ist viel umfangreicher als derjenige der Angeklagten. Andererseits positioniert der Film sich noch klarer als das Drama und folgt nicht der Weiss’schen Figurenkonzeption der Zeug:innen. Weiss’ dramaturgisches Konzept sieht vor, dass die über 300 Zeug:innen aus dem echten Gerichtsprozess im Stück von neun Schauspieler:innen verkörpert werden. Diese stellen im Verlauf des Stücks eine ganze Reihe verschiedener Zeug:innen dar, deren Namen aber nicht genannt werden. Sie treten also anonym auf. Auch Richter, Ankläger und Verteidiger fungieren als Stellvertreter, beispielsweise für die Staatsanwaltschaft, und tragen deshalb keine Namen. Die 18 Angeklagten hingegen sollten von genau einem Schauspieler gespielt und auch namentlich genannt werden. Diese Entscheidung begründet Weiss in der vorangestellten Anmerkung zum Stück: »Daß sie ihre eigenen Namen haben ist bedeutungsvoll, da sie ja auch während der Zeit, die zur Verhandlung steht, ihre Namen trugen, während die Häftlinge ihre Namen verloren hatten.« 

Paneuropäische Stimmen

Weiss ging es, trotz Parteinahme für die Lagerinsass:innen, also auch darum, die Verhältnisse des Lagers zu spiegeln, die Täterseite und letztlich auch »ein System, das viele andere schuldig werden ließ, die vor diesem Gericht nie erschienen«, in den Blick zu nehmen. In einer Zeit, in der eine öffentliche Debatte zu Fragen der Täterschaft und der juristischen Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen gerade erst begonnen hatte, ist diese Entscheidung nachvollziehbar. Heutzutage zielen politische Forderungen bezüglich rechter Gewalt aber viel stärker darauf ab, die Opferperspektive ins Zentrum zu rücken. Paradebeispiel dafür ist die Kampagne #saytheirnames, mit der an die Todesopfer des rassistischen Attentats von Hanau am 19. Februar 2020 erinnert wurde und wird. Anders als im Fall Hanau sind es oft die Rechtsradikalen, an deren Namen man sich erinnert, nicht aber an die traumatisierten, schwerverletzten oder getöteten Menschen, die ihnen zum Opfer fielen.

Sicherlich ist das der Grund dafür, dass Kahls Film mit der Figurenkonzeption der Zeug:innen bricht. Statt nur neun Schauspieler:innen sind es 39. Zu jeder neuen Aussage sieht man ein neues Gesicht. Den vielen Stimmen hört man das geografische, das paneuropäische Ausmaß des nazistischen Größenwahns an: Die Zeug:innen sprechen Hochdeutsch, bayrischen oder wienerischen Dialekt oder mit französischem, polnischem, tschechischem Akzent. Es sind so viele sprachliche Färbungen, dass man sie unmöglich alle zuordnen kann. So sind die Zeug:innen den Angeklagten nicht nur zahlenmäßig überlegen, sondern werden als Menschen mit je eigener Persönlichkeit viel greifbarer, als sie im Dramentext, dessen Maßgabe ja die bewusste Anonymisierung ist, je sein sollten. Damit rückt der Film auch näher an die Realität des tatsächlichen Gerichtsprozesses. Dessen Tonbandmitschnitte wurden übrigens gerettet und durch das Fritz Bauer Institut – benannt nach dem Staatsanwalt, der die juristische Verfolgung der Nazis wesentlich vorangetrieben hat – online zugänglich gemacht: Diesen vielfältigen und wichtigen Stimmen kann man immer noch zuhören.

Nazis, die sich selbst beklatschen

In der Neukonzeption der Zeug:innen-Figuren liegt die erste wesentliche Abweichung von der Vorlage, die zweite im Schluss des Films. Weiss entschied sich für ein extrem hartes Ende, das einem:r die Luft abschnürt, denn der Angeklagte Mulka hat das letzte Wort. Er inszeniert sich selbst als Opfer des Nazi-Terrors und meint, es gäbe wichtigere Dinge als sich »mit Vorwürfen [zu befassen] / die längst als verjährt / angesehen werden müßten«. Der Nebentext verkündet »laute Zustimmung von seiten der Angeklagten«. Vorhang. Auch bei Kahl darf sich Mulka, von Hochholdinger herrlich blasiert und selbstgerecht dargestellt, so in Szene setzen. Aber der Beifall von der Anklagebank bleibt aus, während die Kamera langsam zurückfährt, den Gerichtsaal verlässt, bevor die Leinwand schwarz wird. Schnitt zu einer sonnenbeleuchteten Wiese unter strahlend blauem Himmel. Nach vier Stunden im abgedunkelten Gerichts- und Kinosaal ist dieses Bild so grell, dass man sich einen Moment orientieren, die Augen zusammenkneifen und langsam ans Licht gewöhnen muss – am Boden werden dann die Überreste abgerissener Holzbaracken erkennbar, in der Ferne das Torhaus mit Türmchen, das zum Symbol für Holocaust und Menschenvernichtung geworden ist. Weitere Aufnahmen zeigen das Birkenwäldchen in der Nähe des Lagers, die zerstörten Gaskammern und Verbrennungsöfen, die Klinkersteingebäude für die Lagerverwaltung, dazwischen Menschengruppen, welche die Gedenkstätte auf dem ehemaligen Lagergelände besichtigen.

Zwischen diesen Bildern informiert ein Epilogtext über die eher milden Urteile im Frankfurter Auschwitzprozess. Heute, da schon niedrigrangige Lagergehilfen für Beihilfe zum Mord in zehn- oder gar hunderttausenden Fällen verurteilt werden – ein Trend, der sich auch erst in jüngster Vergangenheit eingestellt hat –, mag das überraschen. Doch damals musste die Beteiligung an jedem einzelnen Mord nachgewiesen werden. Ein Zahnrädchen in einer Vernichtungsindustrie zu sein hat vor Gericht nichts bedeutet. Überhaupt konnten Altnazis nur für Mord verurteilt werden, da andere Straftaten schon verjährt waren, und selbst beim Mord war die Lage lange unklar. Aber von der Verjährungsdebatte kann man jetzt nicht auch noch anfangen. Oder von der kalten Amnestie. Das war schon eine Schweinerei, wie die juristische Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen gelaufen ist. Jedenfalls wurde der Hauptangeklagte Mulka zu 14 Jahren Zuchthaus verurteilt, aber nur wegen »gemeinschaftlicher Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in vier Fällen an mindestens je 750 Menschen«. Dass es Hunderttausende sind, an deren Tod er beteiligt war, das stand wenigstens juristisch nicht zur Diskussion.

Das Lager besteht weiter

Ganz unwidersprochen bleibt Mulkas Unsinn nicht, denn der Ankläger setzt sich noch einmal über die Ordnung hinweg. Ihm reißt der Geduldsfaden, als Mulka sich auf das Militärstrafgesetz beruft: »Sie waren kein Offizier / Sie haben einem uniformierten / Mordkommando angehört«. Schick sagt diese Sätze mit blitzenden Augen und enormem Druck in der Stimme. Hier behält jemand gerade noch die Kontrolle über sich selbst. Noch vor dieser Szene geht es im elften und letzten »Gesang von den Feueröfen« darum, wie die Menschen verbrannt wurden, nachdem man sie mittels des Schädlingsbekämpfungsmittels Zyklon B vergast hatte – ein Umstand, der den Nazis Freude bereitet haben wird, passte das doch so gut zu ihrer Weltanschauung. In diesem Gesang ändert sich das Licht im Saal völlig. Die großen Scheinwerfer, die seitlich um den ganzen Raum verteilt stehen – während des gesamten Films in jeder Saalaufnahme zu sehen, doch kaum eingesetzt –, werden zur einzigen Lichtquelle und tauchen das Gericht in rotgelbes, feuriges, schummriges Licht. Die Kamera zeigt den Richter immer wieder im Profil ganz links im Bild, unter ihm ist es stockfinster, über ihm fällt das Licht ein, er verschwindet fast in diesen Momenten, verzehrt vom Feuerschein und der drohenden Finsternis.

Das mag zunächst platt wirken: Ja, das Licht gleich das Feuer, klar – aber ganz so einfach liegt die Sache nicht. Was genau bedeutet es, dass der ganze Gerichtssaal in Flammen zu stehen scheint? Ein weiteres bedenkenswertes Detail: Um den Saal herum und in ihn hinein sind Quader platziert, angemalt in unbestimmt-melierten Tönen, die je nach Licht mal beton-, mal holzähnlich aussehen. Es könnten die Pfeiler des Stacheldrahtzauns oder auch die Holzbaracken gemeint sein. Oder beides. Oder ganz was anderes. Sie wecken jedenfalls die Präsenz des Konzentrationslagers im Saal. Bei dieser Präsenz könnte es um einen kleinen Satz gehen, den ein Zeuge spricht, den letzten Satz im zweiten »Gesang vom Lager«: »Ich kam aus dem Lager heraus / aber das Lager besteht weiter«.

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