Lena Kiefers Coldhart – Deep & Shallow ist der zweite Band ihrer neuen New Adult-Buchtrilogie, dessen Fokus auf der Vergangenheit des geheimnisvollen aufstrebenden Geschäftsführers Elijah Coldwell und der Aufklärung seiner Entführung liegt – und der damit verbunden Chance auf ein Happy End der Liebesgeschichte zwischen ihm und seiner großen Liebe Felicity.
Von Fabienne Sophie König
Nachdem die Leser:innen am Ende des ersten Bandes Coldhart – Strong & Weak mit einem gebrochenen Herzen in New York zurückgelassen wurden, setzt die Handlung im zweiten Band der Trilogie vier Monate später in Blackwood, England, wieder ein. Protagonist Elijah Coldwell befindet sich dort auf einer heißen Spur, die ihm helfen soll, den Namen der Person zu finden, die ihn als Kind entführte und misshandelte – eine traumatische Erfahrung, die ihn bis in die Gegenwart noch nicht losgelassen hat.
Am Ende des ersten Bandes der Trilogie wurde Elijah gedroht, Felicity würde etwas geschehen, sollte er seine Ermittlungen nicht einstellen. Also entschied er sich, sie zu schützen und trennte sich ohne Erklärung von ihr. Als Elijah nun wieder nach New York zurückkehrt, begegnen sich die beiden wieder und Elijah erzählt Felicity die Wahrheit über die Gründe der Trennung. Sie reagiert verständnisvoll und will ihm bei seinen Nachforschungen zur Seite stehen.
Zu wenig Gefühle für einen New Adult-Roman?
Bei New Adult-Romanen steht oftmals eine Liebesgeschichte im Mittelpunkt, welche den Leser:innen eine Achterbahnfahrt der Gefühle verspricht. In Coldhart – Deep and Shallow werden die großen Emotionen jedoch nicht entflammt. Besonders nach Elijahs eiskalter und unerwarteter Trennung von Felicity war davon auszugehen, dass Felicity ihm nicht so einfach verzeihen würde. Das tut sie aber. Was dadurch viel mehr in den Fokus rückt, ist Elijahs Kontrollzwang, der sich über die Jahre aufgrund seiner Panikattacken immer mehr verfestigte. Umso schwerer fällt es ihm, die Hilfe von Felicity oder Familienangehörigen anzunehmen und sich von seinen Alleingängen zu lösen.
Auch wenn das Thematisieren von psychischen Erkrankungen in New Adult-Romanen gängig und für die Coldhart-Geschichte selbst auch wichtig ist, nehmen die Suche nach dem Entführer sowie Elijahs immer wiederkehrender Kontrollzwang einen zu großen Platz in diesem Band ein. Dadurch wird die Spannung in Bezug auf die Liebesgeschichte von ihm und Felicity gedämpft. Der zweite Band wirkt damit eher wie ein Krimi, in dem sich am Rande eine Liebesgeschichte abspielt.
Neue Charakterentwicklungen
Der Roman wechselt von Kapitel zu Kapitel regelmäßig zwischen den Erzählperspektiven von Felicity und Elijah. Dadurch gelingen Einblicke in deren unterschiedliche Gefühlswelten. Nachdem Felicitys Charakter im ersten Band relativ eintönig gehalten war, lässt der zweite Teil die Figur vielschichtiger wirken. Felicity ist zudem für Elijahs persönliche Entwicklung sehr wichtig. Ihre Handlungen mögen in mancher Situation irritierend wirken; es ließe sich behaupten, sie sei naiv, Elijah – nachdem dieser ihr das Herz gebrochen hat – so schnell zu verzeihen. Jedoch zeigt ihr verständnisvoller Umgang mit der Wahrheit über Elijahs Gründe für die Trennung vor allem, wie emotional belastbar und entschlossen sie ist: Felicity ist sofort wieder an Elijahs Seite und will ihm helfen. Sie glaubt an ihn und an eine gemeinsame Zukunft. Genauso sehr wie Elijah will auch Felicity, dass sein Entführer entlarvt wird. Selbst, wenn es sich dabei um ihren eigenen Vater handeln sollte. Durch ihre Loyalität und Stärke beweist Felicity, dass sie genau die Art von Person ist, die Menschen wie Elijah an ihrer Seite brauchen.
Nicht wirklich nachvollziehbar ist hingegen Felicitys plötzlicher Meinungswechsel bezüglich ihres Studiums: Nachdem sie extra nach New York gezogen war und ihren bis dato unbekannten Vater um die Finanzierung ihres Kunststudiums gebeten hat, will sie plötzlich Tourismus studieren. Diese Wankelmütigkeit passt kaum zu ihrem entschlossenen Verhalten in der übrigen Handlung und ist deshalb nicht wirklich schlüssig.
Auch die Figur Elijah liefert an bestimmten Stellen einige logische Widersprüche. Immer wieder wird dargestellt – ob durch Privatjet oder seinen immensen Bargeldbesitz – wie reich und einflussreich er und seine Familie sind. Immer wieder wird daran erinnert, wie viel Gebäude seine Mutter in New York besitzt und wie erfolgreich er selbst als zweiter Geschäftsführer neben ihr ist. Seine Familie gehört seit Jahren zur New Yorker Elite und wird von dieser bewundert wie gefürchtet. Sein früherer Entführer jedoch gehört zu einer Gesellschaftsgruppe, die trotz ihres Reichtums immer noch weit weniger einflussreich als die von Elijah ist. Zwar werden viele von Elijahs impulsiven Handlungen durch die verbliebenen Wunden seiner Vergangenheit begründet, trotzdem wäre es schlüssiger gewesen, hätte er sich öfter für Lösungswege entschieden, die ihm durch seinen Wohlstand theoretisch möglich gewesen wären.
Einbezug früherer Buchtrilogie
Die Coldhart-Trilogie spielt wenige Jahre nach Lena Kiefers Buchtrilogie Westwell, in der es um die Liebesgeschichte von Helena und Jess geht. Elijah ist Jess‘ kleiner Bruder und zu dieser Zeit noch ein Kind. In Coldhart – Deep & Shallow rücken Helena und Jess mehr in die aktive Handlung mit ein. Die Autorin gibt damit den Leser:innen ein kleines Stück von Westwell zurück, was mit Sicherheit das Herz vieler berührt, die diese Buchreihe gelesen haben. Felicity wirkt mittlerweile wie eine kleine Schwester für Helena. Diese Entwicklung ist ergreifend, insbesondere mit Blick auf den Mord an Helenas Schwester vor einigen Jahren. Auch Jess‘ und Elijahs Bruderbeziehung entwickelt sich durch ein ehrliches und offenes Gespräch über Elijahs Ängste und seine Vergangenheit wieder in eine vertrauliche Richtung.
Unverständliches Ende
Nachdem sich Elijah zuerst seiner Mutter und dann am Ende noch seinem Bruder Jess anvertraut und mit ihnen die Informationen über seine Ermittlungen teilt, entsteht der Eindruck, er hätte eine Charakterentwicklung durchgemacht und könne endlich seinen Drang, alles und jeden kontrollieren zu wollen, ablegen. Er hatte seiner Familie nie erzählt, dass er nach seinem Entführer sucht, weil er Angst hatte, sie nicht schützen zu können, wenn sie ihm bei der Suche helfen sollten. Im Verlauf der Handlung scheint er jedoch endlich zu begreifen, dass er seinen Entführer nicht allein überführen kann. Elijahs Dialoge mit seiner Mutter und seinem Bruder Jess sind lang und intensiv.
Umso weniger macht es Sinn, dass er sich im letzten Kapitel ohne ein Wort plötzlich wieder alleine auf den Weg zu seinem Entführer macht, um ihn vermutlich zu erschießen. Er lässt Jess, Helena und Felicity einmal mehr ohne ein Wort zurück, seine vorherige Entwicklung scheint hinfällig.
Coldhart – Deep & Shallow ist für all diejenigen etwas, die vielleicht noch nie einen New Adult-Roman gelesen haben und erstmalig in das Genre einsteigen wollen. Besonders das Thematisieren psychischer Krankheiten ist eine große Stärke des Romans und macht ihn lesenswert. Gelungen ist außerdem, dass durch die packenden Nachforschungen immer wieder Spannung aufgebaut wird, wobei auf allzu großes Liebesdrama verzichtet werden kann. Dafür sorgen vor allem die detailliert beschriebenen inneren Monologe sowie Dialoge der Charaktere und die überraschenden Wendungen der Handlung.