Ein Café und eine Lebensformel

Wenn man eine einmalige Chance bekommt, sein Leben neu zu ordnen. Wenn man sich erstmalig Fragen stellt, deren Antwort hinter der erfahrbaren Realität liegt. Wenn man einen einzigen Tag am Strand verbringt, der neue Gefühle hervorruft. Wenn man die Möglichkeit hat, auszubrechen aus dem gewohnten Alltag – was macht man mit all diesen Dingen? John Strelecky eröffnet in seinem Roman Wiedersehen im Café am Rande der Welt neue Perspektiven.

Von Özge Özden

Bild: Wien, Café Herrenhof (1914) via Wikimedia / CCO

»Warum bist du hier? Hast du Angst vor dem Tod? Führst du ein erfülltes Leben?« Mit diesen drei Fragen wurde John vor 10 Jahren im Café am Rande der Welt konfrontiert. Diese befanden sich auf der Speisekarte des Cafés, welche ihm beim Eintreten von der Kellnerin Casey überreicht wurde. Zu diesem Zeitpunkt seines Lebens war er noch ein gestresster Manager, der nach dem Tod seines Großvaters, mit dem er kaum Kontakt hatte, beschloss, eine Auszeit zu nehmen und in eben diesem Café landete. Auch der Autor John Strelecky hat nach eigenen Angaben lebensverändernde Ansichten durch Weltreisen erfahren, daher verbindet ihn mit dem Protagonisten nicht nur der Name. Dieser eine Tag änderte die Lebenseinstellung von John. Jetzt, nach 10 Jahren, führt er ein ausgeglichenes und glückliches Leben. Der Alltag wechselt sich ab zwischen Arbeit und Reisen. Im ersten Kapitel des Fortsetzungsromans zu Café am Rande der Welt befindet sich John auf einer Radtour auf Hawaii und denkt an schlechtere Zeiten zurück und wie sehr sich sein Leben zum Besseren gewendet hat. Plötzlich taucht am Strand das besagte Café vor seinen Augen auf. Er kann es kaum fassen, denn eigentlich existiert es nur einmal – rund 1000 km von diesem Standort entfernt. In dem Moment, in dem John erneut auf diese Lokalität trifft, beginnt Wiedersehen im Café am Rande der Welt.

Im neuen Werk von John Strelecky ist jedoch diesmal nicht John der auf Erleuchtung Wartende, sondern eine Frau namens Jessica. Sie hat sich verfahren und ist auf mysteriöse Weise im Café gelandet. Jessica ist eine Person, die von Angespanntheit und Traurigkeit gezeichnet ist und die die Aufmerksamkeit der im Vorgängerroman bereits erschienen Charaktere Casey (die Kellnerin, die kein bisschen gealtert ist und sich die Fähigkeit des Gedankenlesens angeeignet hat) und John erregt. Auch Jessica wird eine Speisekarte vorgelegt, auf der Rückseite stehen drei Fragen: »Warum bist du hier? Spielst du auf deinem Spielplatz? Hast du MPS (Multiple Persönlichkeitsstärke)?«
Darauf bleibt Jessicas Antwort aus und sie würde am liebsten flüchten. Ihre Intuition aber fordert sie auf zu bleiben. Es folgt ein wundervoller Tag am Strand mit vielen Tränen, neuen Freundschaften, unglaublichen Geschichten, den daraus gewonnenen Erkenntnissen und Anekdoten über den Pfad des Lebens, das innere Navigationssystem und den Zweck der Existenz.

Die Illustrationen im Buch stammen von Root Leeb, einer deutschen Schriftstellerin, Malerin und Illustratorin. Sie untermauern die Ereignisse des Tages und wirken wie kindliche Malerei, dabei aber tiefgründig und sinnlich.
Mit viel Humor fordert der Autor am Beispiel von Jessica seine LeserInnen auf, sich neu zu orientieren, und stellt zwischen den Zeilen die Frage: Wie realisiere ich meine Lebenswünsche?
Eine klare Botschaft, die Strelecky uns durch die kathartische Odyssee seiner ProtagonistInnen mit auf den Weg gibt: Es liegt in deiner Hand, wie dein Leben verläuft. Zertrümmere das Hamsterrad.

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John Strelecky
Wiedersehen im Café am Rande der Welt

dtv 2017
288 Seiten, 9,90€

Leider finden sich auch einige Ungereimtheiten. Es wird im Roman beispielsweise von den »Big Five for Life« geredet, jedoch werden diese nicht näher erläutert. Der Begriff bezieht sich auf ein weiteres Werk von Strelecky, jedoch ist die Herleitung ohne Kenntnisse dessen schwierig. John Strelecky ist nicht nur Buchautor, nebenbei ist er auch als Motivationstrainer aktiv. Die Erwähnung der »Big Five for Life« kann durchaus als Selbstvermarktung seiner Ideologien interpretiert werden. Die Lebensformeln, die er in seinem Roman vermittelt, lassen gerade auch unter diesem Gesichtspunkt den Schreibstil an manchen Stellen etwas plump wirken.
Davon abgesehen, gibt Wiedersehen im Café am Rande der Welt durchaus zu denken. Es zeigt gewichtige Themen auf, über die wir eigentlich schon viel wissen: Entferne dich von Dingen, die dich unglücklich machen. Vertraue deinem Bauchgefühl. Es ist wie es ist. Trotzdem ist es gut, ab und zu daran erinnert zu werden, einer gewissen Perfektionierung nicht müde zu werden, sich anzustrengen, weiter und weiter. Besonders ein Vergleich bringt das Sujet des Romans auf den Punkt: Das Leben funktioniert wie ein Navigationssystem. Egal wie oft wir falsch abbiegen, die Route kann immer neu berechnet werden.

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