Die Gefahr der rabenschwarzen Macht

Otfried Preußlers Krabat zeigt auch als Theaterstück im Theater im OP, wie gefährlich verführerisch Macht sein kann. In der schwarzen Mühle erliegt der Junge Krabat den Verführungen dunkler Macht. Nun muss er ein Weg finden, seinen Meister zu überwinden und sich aus seiner misslichen Lage zu befreien.

Von Laslo Gitzel

Bild: Dirk Opitz (Mo Pfeil als Meister, Janik Schlaeger als Pumphutt, hinten Ensemble)

Zum 40-jährigen Bestehen des Theaters bringt das Theater im OP Otfried Preußlers Krabat auf die Bühne. Bereits Wochen vorher ausgebucht, wird es selbst denen, die das Stück zum ersten Mal sehen, im Gedächtnis bleiben. Denn: Der Name des Werks wird dem Publikum bereits in der ersten Minute von elf als Raben kostümierten Darsteller:innen ins Ohr geschrienen.

Das Stück handelt von einem Jungen namens Krabat, der eine Lehre an der berüchtigten schwarzen Mühle beginnt. Nach kurzer Zeit stellt sich heraus, dass die Mühle auch eine Schule für schwarze Magie ist: Er lernt dort nicht nur das Mühler Handwerk, sondern auch die dunklen Künste kennen. Der Müller hat sich der Magie verpflichtet und ist bereit, dieses Wissen, unter gewissen Voraussetzungen, mit seinen Gesellen zu teilen. Die mit der schwarzen Magie einhergehende Macht ist verführerisch und gleichzeitig gefährlich, da sie Krabat und die anderen elf Gesellen an die Mühle bindet und, wie sich im Laufe des Stückes herausstellt, ihre Leben bedroht. Wie sie nach kurzer Zeit erfahren, wird jedes Jahr an Neujahr einer der zwölf Lehrlinge vom Meister geopfert, damit dieser seine Macht erhalten kann und sich die Mühle im Koselbruch beim Schwarzkollm weiterdreht. Die Mühle selbst ist in Form eines imposanten und beweglichen Mühlsteines ins Bühnenbild eingearbeitet. Während die Mühle mit der Zeit immer mehr Gesellen zermahlt, versucht Krabat einen Weg zu finden, die Macht des Meisters zu brechen und seine Freiheit zurückzuerlangen.

Eine Geschichte von Autorität und Erlösung

Ein zentrales Motiv dieses Stücks lässt sich schon am Bühnenbild ablesen. Hoch oben in seinem Zimmer thront der Mühlmeister über den Gesellen. Seine Macht darf nicht angefochten werden. Wie ein über dem Kopf schwebendes Damoklesschwert positioniert er sich als stetige Gefahr über den Lehrlingen. Seine Macht immer wieder zu bestätigen und zu erhalten, spielt eine wichtige Rolle und hat den Charakter eines Motivs. Der Mühlmeister lässt sie sich rituell an Ostern von seinen Schülern bestätigen: Er fragt, ob er ihr Meister ist und sie (müssen) bejahen. An Neujahr zementiert er seine Macht, in dem er den talentiertesten Gesellen opfert, damit ihm dieser nicht gefährlich werden kann. Das autoritäre System zu durchbrechen, ist Krabats Ziel. Er hat sich von den dunklen Künsten verführen lassen, hat gute Gefährten an den Meister verloren und ihm wird klar: Allein durch Lernen wird er ihn nicht besiegen können. Im Gegenteil: Sollte der Meister seinen zu ambitionierten Fleiß mitbekommen, wird er das neue Jahr nicht erleben.

Preußler sprach auf seiner Website davon, in Krabat die Erfahrungen seiner Jugend im Dritten Reich verarbeitet zu haben. Es sollte eine Geschichte über die unheimliche Anziehung der neu entstanden Macht werden. Krabat hört da aber nicht auf, es ist letztlich eine Erlösungsgeschichte. Die Figur Krabat kann sich dem Bösen widersetzen und ist bereit, dafür die erlangten Kräfte aufzugeben. Dabei wird klar, dass das Böse erst erkannt werden muss, bevor es überwunden werden kann. Geblendet durch die neue Macht und aus Angst vor dem Meister braucht Krabat viel Überwindung, um das tun zu können, was er für richtig hält. Denn auch mit ihren erstaunlichen Kräften bleiben die Lehrlinge doch in der Mühle ihres Meisters gefangen. Sie müssen sich unterordnen und sich den Befehlen des Meisters beugen. Als einzigen Ausweg stellt sich die Liebe dar. Krabat lernt in einer Osternacht ein Mädchen aus Schwarzkollm kennen. Nur ihre Liebe kann den Fluch des Meisters brechen. Da nutzt ihm auch all seine Macht nichts. Bedenkt man Preußlers Aussage über die Rolle der NS-Zeit für die Romanvorlage Krabat, ist es doch ein spannender Gedanke, dass Liebe einen selbst aus der dunkelsten Verführung des Bösen retten könnte.

Zwischen Heiterkeit und Tod

Obwohl die Story doch recht düster wirkt und das ThOP es auch durchaus schafft, den ein oder anderen kleinen, stimmig platzierten Schock-Moment zu platzieren, ist sie keinesfalls nur bedrückend. Mit meistens mehr als zwölf Darsteller:innen gleichzeitig auf der Bühne entsteht ein so unterhaltsames Durcheinander, dass man gar nicht weiß, wem man seine Aufmerksamkeit schenken soll. Verdient hätte sie beispielsweise Pumphutt, eine lustige Figur, dessen schelmisches Auftreten und starke Magie den anderen Gesellen beweist, dass auch der Meister nicht unbesiegbar ist. Schallendes Lachen erfasst den Saal außerdem beim Auftritt des in einen Stier verwandelten Gesellen Mitschko. Das Stierhafte wird überzeugend und auf enorm witzige Art pantomimisch dargestellt – es wird deutlich, was für ein prächtiger Stier er doch sei.

So entsteht ein guter Mix: Eine heitere und ausgelassene Stimmung bei den Gesellen das Jahr über und eine umso bedrückendere Stimmung, wenn sich das Jahr dem Ende neigt. Dann dominieren Angst und Zwietracht in der Gesellengruppe. Die Nervosität, wer für den Meister geopfert werden soll, ist auch im Publikum spürbar. Später bleibt den Gesellen nur, die Toten zu vergessen, als hätten sie nie existiert, um weiter leben zu können.

Ein bedrohlicher Bund: Der Meister und Herr Gevatter

Eine Figur sticht heraus: Der Herr Gevatter, der die Mühle besucht und mit dem der Meister »im Bunde steht«. Sie haben einen Pakt geschlossen, demzufolge der Meister dem Herrn Gevatter einmal im Jahr einen Gesellen opfern muss, um nicht selbst zu sterben. In der Inszenierung ist er eine geheimnisvolle, bleiche Gestalt die nicht nur körperlich die anderen überragt, sondern auch was die Größe seiner Macht betrifft, selbst den Meister in den Schatten stellt. Der Müller bleibt für das Stück jedoch die vordergründige und entscheidende Figur, da er über Leben und Tod bestimmt. Er ist ein gebrochener Mann mit einem Kriegstrauma. Er war gezwungen, seinen besten Freund Jirko zu töten, als sie beim Türkenkrieg in Ungarn in gegnerische Armeen gerieten. Angetrunken lässt er diese schreckliche Situation zur Qual seiner Schüler von diesen marionettenhaft aufführen. Nur um sich im Anschluss, selbst von den Erinnerungen dieser Tat übermannt, wortlos zurückzuziehen.

Krabat wird hier wirklich unterhaltsam adaptiert. Die drei Stunden inklusive einer halbstündigen Pause verfliegen gleichsam mit heiteren, wie schockierenden Darstellungen. Dabei bleiben die Themen auch über 50 Jahre nach Erscheinen des Buches Krabat noch aktuell. Man sollte sich nicht von Macht zum Bösen verführen lassen. Es ist wichtig, nach Möglichkeiten zu suchen, sich dem Machtdrang zu widersetzen. Gerade in Zeiten von allgegenwärtigen Krisen ist es wichtig, solche grundlegenden moralischen Grundsätze nicht zu vergessen.

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