Das Setting kennt man, die Vision ist umso beunruhigender: Der Science-Fiction-Kurzfilm Whitecollar Upgrade des Studenten Rashid Ben Dhiab setzt mit seiner Handlung in Göttingen an. Das mit 50.000 Euro beförderte Projekt ist außergewöhnlich und aufsehenerregend.
Dorothee Emsel interviewte Rashid Ben Dhiab
Auf dem Bild: Rashid Ben Dhiab
Bildrechte: © Thomas Klawunn
Rashid Ben Dhiab, Studierender der Geisteswissenschaften an der Universität Göttingen und Litlog-Autor, erstellte 2014 im Rahmen des Schlüsselkompetenz-Seminars »Drehbuch schreiben« am Seminar für Deutsche Philologie das Kerngerüst eines Kurzfilm-Drehbuchs mit dem Titel Whitecollar Upgrade. Anschließend präsentierte er dieses Skript in einer Drehbuch-Werkstatt des Göttinger FilmnetzWerks und gewann dafür zwei ›Paten‹: Regisseur Oliver Clark und Produzent Daniel Bernhard von der Göttinger Produktionsfirma HarderFilm. Bernhard stellte nach gemeinsamer Arbeit am Drehbuch einen Förderantrag bei der Niedersächsischen Filmförderung. Das Projekt wurde mit 50.000 Euro dotiert. Gedreht wurde bereits in Göttingen und Hannover mit den Ensemblemitgliedern des Deutschen Theaters Göttingen Angelika Fornell, Gabriel von Berlepsch, Florian Eppinger und Gerd Zinck, der Schauspielerin Claudia Plöckl sowie Wolfgang Zarnack, aktuell festes Ensemblemitglied am Stage Theater Hamburg.
Dorothee: Wie lange hast Du für das Drehbuch gebraucht?
Rashid: Etwa 2 Jahre haben Oliver Clark und ich das originale Drehbuch umfassend überarbeitet. Einige Dinge haben wir gestrichen, weil sie überflüssig oder mit unserem Budget nicht umsetzbar waren. Manche Szenen haben wir komplett neu strukturiert, damit sie stringenter wurden. Olivers Input als Mentor war sehr wertvoll, da er auf diesem Gebiet deutlich mehr Erfahrung hat als ich.
D.: Im Film wirken professionelle SchauspielerInnen mit. Wie und vom wem wurden sie angesprochen?
R.: Es wurde bereits während der Überarbeitungen überlegt, wer dabei sein soll. Ganz wichtig war es mir, Angelika Fornell für die Rolle der Dornhagen zu gewinnen, da ich sie beim Schreiben der Figur immer im Hinterkopf hatte. Angesprochen wurden die SchauspielerInnen dann aber von Oliver Clark und Daniel Bernhard.
D.: Hast Du bereits mit Oliver Clark oder Daniel Bernhard zusammengearbeitet?
R.: Kennengelernt habe ich beide zum ersten Mal auf einer Sitzung des Göttinger FilmnetzWerks. Die Mitglieder konnten sich dort für Patenschaften zu den präsentierten Drehbüchern melden. Oliver und Daniel haben sich erfreulicherweise für meines entschieden.
D.: Wurden am Set ab und an, auch rein ästhetisch, Dinge aus Deinem Drehbuch umgesetzt, die Du Dir so nicht vorgestellt hast?
R.: Ich selbst war leider nur an den letzten beiden Drehtagen vor Ort, zwischendurch konnte ich aber Photos vom Set einsehen. Oliver, Daniel und die gesamte Crew haben automatisch alles so umgesetzt, wie wir es uns auch vorgestellt hatten. Lediglich der Dreh im Alten Rathaus war so zuerst nicht geplant. Ursprünglich wollten wir gerne die Paulinerkirche als Hintergrund für diese Szene haben, aber dafür bekamen wir leider keine Drehgenehmigung. Im Gegenzug war z.B. die Pathologie der Uni-Klinik genau das, was wir gesucht hatten – und erstaunlich gemütlich, nachdem die Gläser mit den konservierten Gehirnen entfernt worden waren.
D.: Würdest Du nochmal ein Drehbuch umsetzen oder war Dir der Dreh zu anstrengend?
R.: Da ich ja lediglich als Zuschauer fungiert habe, war mir der Dreh natürlich nicht zu stressig. Allerdings mussten wir uns beim Dreh in der Lobby des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung teilweise in einem angrenzenden Raum verstecken, um nicht ins Bild zu geraten. Weil die Funkverbindung zu den Monitoren gestört war, konnten wir von dort aus aber nicht sehen, was passiert. Daher mussten wir die genaue Drehzeit stoppen und uns anschließend das Ergebnis anschauen. Solche unerwarteten Probleme können beim Filmdreh immer auftauchen und vor allem dann für Stress sorgen, wenn das Tageslicht schwindet und die Kontinuität einer Szene dadurch gefährdet wird. Es gab ja auch beim Dreh im Alten Rathaus Schwierigkeiten wegen des Straßenlärms. Cast und Crew haben wirklich meine vollste Hochachtung dafür, immer so professionell und geduldig weitergearbeitet zu haben. Für mich als Autor war es das größte Geschenk, so viele motivierte und großartige Menschen getroffen zu haben, die mein ›Geschreibsel‹ umsetzen wollten. Ob ich nochmal ein Drehbuch umsetzen würde? Jederzeit! Und dann auch von Anfang bis Ende.
D.: Im Ankündigungstext zum Film ist die Rede von der Implantat-Elite auf der einen und den sozial Schwachen aber moralisch Integren auf der anderen Seite. Ein Kurzfilm liefert ja nun aber nicht unbedingt die epische Bandbreite, um intensiver auf die Mehrdimensionalität der Figuren eingehen zu können. Oliver Clark berichtete in einem Interview auf SAT. 1, dass es die Idee gäbe, einen 90-Minüter aus dem Kurzfilm zu machen. Könntest Du Dir vorstellen, das Skript auszudehnen und damit eine ausgeprägtere Dreidimensionalität der Figuren zu erarbeiten oder macht Dir das eher Angst?
R.: Nein, überhaupt nicht. Ich bin sehr motiviert, einen abendfüllenden Spielfilm daraus zu machen und sammele bereits fleißig Ideen. Schon beim Überarbeiten des Drehbuchs haben wir festgestellt, dass die Welt, die wir erzählen, viel zu groß und facettenreich für einen Kurzfilm ist und auch die Figuren das Potenzial haben, noch weiter ausgestaltet zu werden.
D.: Wer hatte generell das letzte Wort? Du oder Regisseur Oliver Clark?
R.: Wenn kreative Köpfe aufeinander treffen, um etwas gemeinsam zu erarbeiten, sind verschiedene Meinungen unvermeidbar und auch gut, um das Projekt voranzubringen und neue Ansätze zu finden. Oliver und ich sind zum Glück in vielen Dingen auf einer Wellenlänge und haben immer Kompromisse finden können. Ich habe die Zusammenarbeit nie als hierarchisch empfunden, sondern immer auf Augenhöhe.
D.: Hast Du manchmal die Befürchtung gehabt, dass der Wiedererkennungswert einiger Ecken der Stadt dem Film die Mystik nimmt?
R.: Größtenteils spielt sich die Handlung ja in Innenräumen ab. Nur durch die Fenster sieht man ab und an Bilder der Göttinger Skyline, in die zusätzlich computergenerierte Motive wie Wolkenkratzer und andere Gebäudekomplexe eingesetzt werden. Den Wiedererkennungswert für die ZuschauerInnen sehe ich deswegen eigentlich als eher gering an.
D.: Du hast es nun live erlebt und könntest einen Ausblick bieten – inwiefern sind eine Produktionsfirma wie HarderFilm und eine Vernetzungs-Plattform wie das Göttinger FilmnetzWerk wichtig für eine Stadt?
R.: Wichtig ist vor allem, dass junge, kreative Menschen die Möglichkeit bekommen, Ideen umzusetzen. HarderFilm und das Göttinger FilmnetzWerk versuchen, Göttingen als Filmstadt wieder aufleben zu lassen. Das war vor allem für mich als Germanist ein großer Anreiz, da in unserem Fachbereich die Kreativität ja leider meistens auf das Verfassen von Hausarbeiten beschränkt ist. (lacht)
D.: Wann erscheint der Film?
R.: Im Moment ist die Postproduktion im vollen Gange. Es werden nachträglich Effekte wie Hologramme oder computeranimierte Drohnen eingebaut. Daher ist es schwer, einen genauen Termin zu bestimmen, aber er soll noch 2017 auf die Leinwand kommen.