Der beste Film aller Zeiten?

Der Titel der neuen ARTHAUS-Produktion Der Beste Film aller Zeiten verspricht seinen Zuschauer:innen das Unmögliche. Dabei zielt die Satire von Gastón Duprat und Mariano Cohn inhaltlich auf etwas ganz anderes ab: die stetige Rivalität und grenzenlose Härte der Filmbranche. Außerdem wird die Frage aufgeworfen, inwiefern es in der Filmindustrie noch um das Realisieren von künstlerisch wertvollen Projekten geht, oder eher um ein vom Kapitalismus dominiertes System, welches Filmschaffende unter dem Deckmantel der Kunst tarnen.

Von Mara Fiene

Bild: Via Pixabay, CC0

Antonio Banderas, Oscar Martínez und Penélope Cruz erzählen im neuen, spanischen ARTHAUS-Film Der Beste Film aller Zeiten (auf spanisch Official Competetion) unter der Regie von Gastón Duprat und Mariano Cohn eine besondere Geschichte über das Machen eines Films, in dem die Perspektive der Regie und Schauspieler:innen im Fokus steht. Gezeigt wurde der Film bereits vorab auf den Filmfestspielen in Venedig, der offizielle Start war im Juli 2022. Dass das Projekt kein weiterer gewöhnlicher Blockbuster ist, obwohl die Starbesetzung auf den ersten Blick darauf schließen lassen könnte, lässt sich bereits zu Beginn erkennen.

Kunst als Ausrede für Geld und Erfolg

Der Multi-Milliardär Humberto Suárez (José Luis Gómez) ist 80 Jahre alt geworden, steht in seinem mit Geschenken gefüllten Büro und wird sich plötzlich seiner eigenen Vergänglichkeit bewusst. Obwohl ihn tausend Karten erreichen, ist er an seinem Ehrentag doch allein und entscheidet sich kurzerhand dazu, sich mit seinem Geld ein Denkmal zu errichten, das über seinen Tod hinaus an seinen Reichtum erinnern soll. Ihm kommt die Idee, einen Film zu produzieren – und zwar den besten aller Zeiten. Die Story dafür ist ihm herzlich egal, aber Regisseurin muss die weltbeste Lola Cuevas (Penélope Cruz) sein. Sie soll das mit dem Pulitzerpreis gekrönte Buch verfilmen, an dem er sich die Rechte erkauft. Bei ihrem ersten Treffen muss Lola Suárez allerdings erst einmal den Inhalt des Buches »Rivalidad« (zu deutsch »Rivalität«) erklären, denn selbst gelesen hat er das Werk nie. Lola entscheidet sich bei der Besetzung der Hauptrollen für den alternativen Theaterschauspieler Iván Torres (Oscar Martínez) und den internationalen Superstar Felix Rivero (Antonio Banderas). Sie spielen die Brüder, die in dem Film zu Rivalen werden, doch bereits bei den Proben zeichnet sich ab, dass diese Sticheleien nicht nur Teil des Drehbuchs sind.

Iván lehnt das verschwenderische Leben des wilden Felix ab, wobei der Eindruck entsteht, dass er zugleich auch neidisch auf dessen Erfolg ist. Während Felix mit seinem Assistenten um den Globus reist, Preise absahnt und immer wieder neue Freundinnen hat, lebt Iván ein einfaches Leben, komplett der Kunst gewidmet und gibt als Dozent Schauspielkurse an der Universität. Unterschiedlicher könnten die beiden also nicht sein, weshalb sie schnell in die Rollen der Brüder schlüpfen und diese förmlich annehmen. Sie bilden wie die beiden Brüder einen Kontrast, werden dadurch immer mehr zu Rivalen, obwohl sie durch ihren Beruf eigentlich verbunden sind. Beide kämpfen um Anerkennung in der Filmbranche, wobei sie versuchen, jeden ihrer Erfolge und letztlich auch sich gegenseitig zu übertrumpfen. Lola begleitet den Probenprozess mit Herzblut und versucht, das Talent der Schauspieler voll auszuschöpfen, indem sie diese bei jeder Sitzung aus ihrer Komfortzone lockt. Dabei prallen die Egos der beiden Männer immer wieder und mit voller Wucht aufeinander, sodass sie erst ihre Werte und schließlich auch ihre Würde über Bord werfen. Als die eigentlichen Dreharbeiten beginnen sollen, spitzt sich die Lage zwischen Iván und Felix so zu, dass Lola schmerzlich realisieren muss, wie weit sich die »Rivalidad« aus ihrem Drehbuch in die Realität der Filmschaffenden übertragen hat.

Der Film im Film

Der Beste Film aller Zeiten startet vielversprechend: Die Geschichte, die sich der Milliardär erkauft hat, scheint in Lolas Händen großes Potential zu haben. Als Zuschauer:in ist man zu Beginn gespannt, wie sich die zunächst unvorhersehbare Geschichte entwickeln wird, da vor allem um das Ende des Drehbuchs ein großes Geheimnis gemacht wird. Leider schafft es der Film nicht, diese Neugier auszuschöpfen: Die Inszenierung in der kalten, leeren Villa, in der die drei Hauptfiguren die meiste Zeit proben, ist monoton. Die unmöblierten Räume sind zwar gewollt minimalistisch gehalten, um den Fokus auf die Charaktere zu legen, dies ist jedoch beim Zusehen auf Dauer ermüdend. Die langen Szenen und gezogenen Dialoge schaffen es nicht, diese Umgebung aufzulockern, obwohl es immer mal wieder unerwartete Momente gibt, die neue Impulse einbringen sollen.

So will Felix beispielsweise in einer Sequenz seinen Kollegen und Konkurrenten Iván schauspielerisch ausstechen, indem er diesem und Lola auf herzzerreißende Art und Weise von seiner unheilbaren Krebserkrankung erzählt. Lola, die erst schrecklich getroffen ist, ist am nächsten Tag ebenso schockiert, als Felix in einem Nebensatz fallen lässt, dass er diese Krankheit nur erfunden hatte, um sich über Iván zu positionieren. In Szenen wie dieser wird das schauspielerische Talent von sowohl Penélope Cruz als auch von Antonio Banderas wirklich sichtbar. Gerade Banderas, der in seinen letzten Produktionen eher in Nebenrollen zu sehen war, beweist sein Können auf allen Ebenen. Er spielt authentisch und emotional, lässt durch Blicke und Mimik vergessen, dass nicht tatsächlich er der egozentrische, selbstverliebte Felix ist, der sein Können unter Beweis stellen muss.

Selbst Cruz kann trotz ihrer sehr gelungenen schauspielerischen Leistung als verträumte und bunte Regisseurin Lola die eintönige Atmosphäre nicht aufbrechen. Ihre Rolle dominiert die der Männer zwar und steht professionell auch über deren Rivalität, doch die Versuche, ihre Kollegen herauszufordern, wirken weit hergeholt und unpassend. So zerschreddert sie in einer Szene alle Preise der beiden Hauptdarsteller vor deren Augen, oder lässt sie in einer anderen eine hochemotionale Szene unter einem riesigen Felsblock sprechen, der jede Sekunde hinunterzufallen droht.

Vorhersehbares Ende

Das Ende des zu erschaffenden Films, das zu Beginn wie ein großes Geheimnis behandelt wurde, verfehlt dann leider die Pointe. Zu vorhersehbar ist es und befriedigt daher nicht die vorherigen, unterschwellig aufgebauten Erwartungen der Zuschauer:innen. Es gibt jedoch weitere Handlungsumschwünge im Leben von Lola, Iván und Felix, die sich vor dem Beginn des eigentlichen Drehs weiter in den toxischen Strukturen bewegen, die sie sich nach und nach auferlegt haben. So breitet sich das tragische Ende des besten Films aller Zeiten auf das eigentliche Leben der Charaktere aus. Die Figuren werden mit dem Schein und Sein der Filmbranche konfrontiert, wodurch sie zu gefühlskalten Konkurrent:innen werden, obwohl sie in ihrem gemeinsamen, künstlerischen Arbeiten ein endloses Spektrum an Emotionen zum Besten gegeben haben.

Der Prozess des Filme-Machens wird in diesem Werk auf hohem Niveau satirisch dargestellt, doch trotzdem schafft der Film es nicht, den gezeigten Humor und die Ernsthaftigkeit der Geschehnisse nachvollziehbar zu vereinen. Es entsteht eher die Frage, worauf der Film eigentlich abzielen möchte: auf die stetige Rivalität und grenzenlose Härte der Filmbranche, oder die Schwierigkeit, ein künstlerisch wertvolles Projekt zu realisieren, wenn es in Wahrheit um Kapitalismus und das Ausschlachten von Persönlichkeiten geht? Doch obwohl Der Beste Film aller Zeiten bestimmt vieles ist, aber nicht das, kann er sich sehen lassen. Die hochkarätige Besetzung überzeugt durch wahres Können, während Filmliebhaber:innen Möglichkeiten haben, sowohl Inszenierung als auch Handlung auf unterschiedlichste Weisen zu analysieren und interpretieren. Sei es die Szenerie, die unterschiedlichen Persönlichkeiten, sie sich in einem bunten Chaos aus individuellen Wünschen und Zielen vermischen, oder schlicht die Art und Weise, wie das Filmemachen dargestellt wird.  

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