Ein Jahr lang isoliert in einer Forschungsstation in der Antarktis – eine unheimliche Vorstellung. Obendrein wird Astrophysiker Wayne Robertson in der Station 151 bewusst, wie sehr er den fragwürdigen Arbeitsbedingungen ausgeliefert ist, die ihn zwecks mysteriöser Weltraumforschung erwarten.
Von Janina Schumann
Der Abschluss der zweiten Staffel von Station 151 bietet Anlass, die erste Staffel des englischsprachigen Podcasts noch einmal genauer zu betrachten. Der Science-Fiction-Podcast, geschrieben von Andy Scearce und Steven James Scearce und produziert von Bear Weiter und Pale Matter, hat eine kleine, aber begeisterte Community um sich gesammelt. Das Audiodrama macht die Forschungsstation der ominösen Megacorporation Telders zum alleinigen Schauplatz, an dem der Wissenschaftler Wayne Robertson ein Jahr lang Forschungsarbeit nachgehen soll, zu der er vorab jedoch nur spärliche Informationen erhalten hat. Da jedoch eine Million Dollar als Belohnung locken, sieht er der Sache zunächst optimistisch entgegen.
Fünfzig Satellitenschüsseln außerhalb der Station formen zusammen ein großes Radioteleskop, das auch die schwächsten Radiosignale im Weltraum abfangen kann – welche Telders aus unerfindlichen Gründen studiert. Genauso wie Robertson können die Hörer:innen nur raten, welchem mysteriösen Unternehmen sich Telders widmet. Bereits der Helikopterflug zur Station 151 in der ersten Episode erweckt die unheilvolle Ahnung, dass an dem ganzen Projekt etwas ganz furchtbar falsch sein muss.
»I signed an NDA about the size of my dissertation … and I’m trying to recall now what I can say and what I can’t say.«
Doch nicht ganz allein
Die Geräuschkulisse der Schneeböen und des Helikopters löst ein durchgehend mulmiges Gefühl bei den Hörer:innen aus, das durch den anfänglich naiven Optimismus des Protagonisten nur noch verstärkt wird. Während Wayne voller Vorfreude auf seine Arbeit, die großzügige Prämie und sogar auf die Aussicht, lange Zeit ganz für sich allein zu sein, ist, warnt ihn der Pilot hingegen mit eindringlichen Worten:
»Wayne, alone time is a couple hours to yourself with a mystery novel and a cuppa hot tea on a Sunday night. One year at the bottom of the world with no one else, that’s a recipe for madness.«
Es stellt sich heraus, dass Wayne seine Zeit in der Station nicht gänzlich allein verbringen wird. Durch eine Art Earpiece wird er mit der KI Wilkins, eine der zahlreichen hochentwickelten Technologien Telders, verbunden, deren Stimme ihn überallhin begleitet. Wilkins scheint Wayne eher überwachen als unterhalten zu wollen, was Wayne kräftig auf die Nerven zu gehen beginnt. Sarkastisch fluchend beschwert er sich darüber, was Wilkins jedoch in keiner Weise kümmert. Auch wenn Wilkins Waynes Widersacher darstellt, machen ihre trockenen Erwiderungen die KI einfach sympathisch. Generell ist die Stimmung in den etwa 20-minütigen Episoden trotz der beklemmenden Situation und der unterschwelligen Unsicherheit darüber, welchen Zweck Telders wirklich mit seiner Forschung verfolgt, meist gezeichnet von Ironie und Witz. Dies lockert das bedrückende Setting auf und führt dazu, dass der Podcast nicht zu ernst wird. Neben Wilkins gibt es auch einen als Begleiter bereitgestellten Husky, den Wayne ‚Buzz’ tauft und der sein einziger Freund in der Station wird.
Die Zeit vergeht schneller als gedacht
Schon an Waynes erstem Arbeitstag zeigt sich der große Haken an seinem vermeintlichen Traumjob. Erschrocken stellt er fest, dass er jedes Mal, nachdem er sich zur Arbeit hinsetzt, riesige Erinnerungslücken hat. Wayne soll eine Art Helm aufsetzen, der ihm die Arbeit ermöglicht. Setzt er ihn seinem Zeitempfinden zufolge nach einer Sekunde ab, ist jedoch fast ein ganzer Tag vergangen. Scheinbar werden für die Forschung nur seine kognitiven Kompetenzen benötigt, er selbst soll aber nicht wissen, woran Telders forscht. Der Ausstieg aus dem Projekt wird Wayne jedoch durch die Einrichtung der Station, den Arbeitsvertrag und vor allen Dingen durch Wilkins unmöglich gemacht. Wayne erkennt: Er muss einen Weg finden, die hyperintelligente KI zu überlisten, wenn er zusammen mit Buzz aus dieser Zwangslage entkommen möchte. Ab hier wird es für die Hörer:innen spannend, da eine Flucht aus diesem Setting unzählige Probleme für den Protagonisten mit sich bringt.

Antarctic Science Fiction Podcast
Geschrieben von: Steve Scearce und Andy Scearce
Produziert von: Bear Weiter
Der Podcast ist gespickt von Anspielungen an klassische Science-Fiction-Werke und auch an die Absurditäten unserer Welt. Der Gründer von Telders, der exzentrische Milliardär Michael Telders, erinnert beispielsweise an Elon Musk. Wie beiläufig erwähnt Wayne gegenüber dem Helikopterpiloten, wie Telders in Florida das Experiment einer ‚Unterwasser-Kommune‘ mit dreißig Leuten aufstellte, das jedoch in einer Katastrophe endete, da sich die Menschen gegenseitig umbrachten. Durch oftmals kleine Details, wie in Automaten bereitgestellte Fertignahrungsmittel und Wilkins durchgehendes Gefasel über Effizienz, besitzt Station 151 starke Cyberpunk-Züge. Jedoch zeichnet das Audiodrama keine bereits dystopisch veränderte Welt à la William Gibsons Neuromancer, sondern konzentriert sich eher auf die sich im Geheimen anbahnende Gefahr, die entsteht, wenn ein einzelner reicher Mensch zu viel Macht besitzt.
Mehr Humor, kein The Thing?
Waynes Sprecher erschafft einen charismatischen, sarkastischen und leicht überheblichen Astrophysiker, der so überzeugend ist, dass der Podcast auch mit nur sehr wenigen vorkommenden Stimmen gut auskommt. Zwar ist die bedrohliche Atmosphäre durch die Musik und Geräuschkulisse der Audioproduktion gekonnt umgesetzt, richtig gruselig wird es jedoch nicht. Die unheimlichen Aspekte wie verschlossene Türen in der Station werden durch die sarkastischen Bemerkungen von Wayne und durch Wilkins monotone Erwiderungen überschattet. Andererseits bringen die witzigen Konversationen aber auch den Vorteil mit sich, dass der Podcast nicht in die Falle tappt, sich selbst zu ernst zu nehmen. Da Wayne sich für die zweite Staffel nach draußen ins Schneegestöber begibt und anfängt, die Geheimnisse um die Station 151 aufzudecken, scheint diese stärker das Gruselpotenzial auszuschöpfen, welches die erste Staffel aufbaut. Insgesamt ist Station 151 ein gelungener, atmosphärischer Sci-Fi-Podcast, der unterschwellig und humorvoll Kritik übt, ohne diese den Zuhörer:innen zu sehr unter die Nase zu reiben. Gerade die Darstellung von Wilkins trifft zur Zeit einer rasanten Weiterentwicklung von KI, die wir gerade miterleben, sicherlich bei vielen einen Nerv.