Reitjagden, öffentliche Anlässe und private Intrigen: Im Roman Sisi von Karen Duve kommt all dies nicht zu kurz und erzählt, wie aufregend, aber auch wie eintönig das Leben einer Kaiserin sein kann.
Von Lena Heykes
Bild: Franz Xaver Winterhalter, Public domain, via Wikimedia Commons
Elisabeth, Kaiserin von Österreich, soll schön gewesen sein. Ein Bild, das vor allem die romantisierenden Sissi-Filme von Ernst Marischka aus den 50er-Jahren geprägt haben. Doch dass diese Filme kaum mit der Realität gleichzusetzen sind, ist schon lange bekannt. Die Neuauflagen, wie zum Beispiel die Netflix-Produktion Die Kaiserin, zeigen eine viel nüchterne Sisi, die zwar schön ist, doch zugleich unglücklich.
Das Leben am Wiener Hof war für die Kaiserin eine Qual. Dies greift auch Karen Duve in ihrem Roman Sisi auf. Anders als die Serien orientierte sich die Autorin jedoch stark an Originalquellen aus der Zeit, wie den Tagebüchern der Hofdame Marie Festetics. Sie berichten von Reisen und Reitjagden, aber auch von Versuchen, dem pflichtbewussten Leben am Wiener Hof zu entfliehen. Der Kaiser hingegen widmet sich ganz seinen Aufgaben oder seiner Geliebten.
Der Roman beschreibt detailreich und dadurch langatmig das Leben der Kaiserin Sisi in den Jahren 1876-1877. Zudem finden sich darin überschaubare Erkenntnisse, die Duve in verschiedene Kapitel verpackt hat. Die Kapitel hängen, wenn überhaupt, nur lose miteinander zusammen. Erzählt wird in Duves Roman aus der Distanz und aus unterschiedlichen Perspektiven. Auch für Rückblicke findet sich immer wieder Platz.
Pferd, Jagd & Sieg
Die Hofdame Marie Festetics vergöttert die Kaiserin, und opfert dafür ihr privates Glück. So wird die Kaiserin zu Beginn überwiegend durch Festetics‘ Eindrücke beschrieben, immer mit einer gewissen Distanz, denn die Kaiserin ist schließlich unnahbar. Festetics begleitet die Kaiserin nach England zu den Reitjagden – dorthin, wo die Gerüchte um Captain Middelton ihren Lauf nehmen. Bald wird deutlich, dass die Kaiserin lieber auf dem Rücken eines Pferdes sitzt, als Queen Victoria einen Besuch abzustatten.
Karen Duve
Sisi
KiWi: Köln 2022
416 Seiten, 26,00€
Das Leben am Wiener Hof macht der Kaiserin keinen Spaß und so ist sie betrübt, wenn es zurückgeht und sie ihre Pflichten als Kaiserin erfüllen muss. Langweilige Alltage und öffentliche Veranstaltungen, wie katholische Zeremonien, bestimmen ihre Tage. Lichtblicke sind Familienbesuche. Bei einem dieser Besuche lädt die Kaiserin ihre Nichte Baroness Marie Louise Wallersee nach Gödöllő in Ungarn ein.
Marie Louise wird zur engen Vertrauten der Kaiserin, die nicht nur ihre guten Seiten kennenlernen darf. Neben Reitjagden, Flirts mit Männern und Wohltaten der Kaiserin wird sie auch stark gefordert. Nach einem anstrengenden Tag muss sie noch Pferde reiten, Briefe von A nach B bringen und auch den einen oder anderen Wutanfall der Kaiserin bekommt die junge Baroness mit.
Eine unnahbare Schönheit
Im Verlauf wird die Kaiserin immer tiefergehend porträtiert, so ist sie die »Sklavin ihrer Haare«, ohne Furcht und mit viel Energie, obwohl ihr Essen nur selten aus einer richtigen Mahlzeit besteht. In ihre Kleider lässt sie sich einnähen, den vielen Sport, den sie verbissen treibt, soll man ihr schließlich ansehen. Ihre Zähne zeigt sie nie, denn sie sind Sisis einziger Makel.
In Wien ist sie stets trübsinnig und wird zum Schatten ihrer selbst. Die Kaiserin erwacht erst wieder richtig zum Leben, wenn es nach Gödöllő geht, zu den Pferden und den Jagden. Aufopferungsvoll ist sie gegenüber ihrer Familie, zumindest zu denen, von denen sie sich nicht bedroht fühlt. Doch bei ihren älteren Kindern Gisela und Rudolf hört diese Liebe auf. Ganz anders ist ihre Liebe für die jüngste Tochter Valerie, die wohlbehütet aufwächst und sich alles erlauben darf.
Detailliert doch langatmig
Karen Duve wollte eigentlich ein Buch über Pferde schreiben, hat sich jedoch dann in das Leben der Kaiserin Sisi eingearbeitet, deren größtes Glück Reitjagden und Pferde waren, so heißt es in der Autorinnen-Biografie. Das zeigt sich an den vielen, sehr detailreichen Reitszenen, die nicht immer spannend zu lesen sind. Zusätzlich erschweren zahlreiche Fehler bei Rechtschreibung und Satzbau das Lesen.
Besonders das Rückblickkapitel Ein Obersthofmeister für den Thronfolger wirkt fehl am Platz. Das Kapitel erzählt, wie Sisis Sohn Rudolf seine schulische Ausbildung beendete. Doch in den Gesamtkontext, in dem vor allem Sisi und der Kaiser im Vordergrund stehen, scheint dieses Kapitel nicht recht zu passen, da andere Rückblickkapitel stets einen Bezug zur restlichen Handlung haben.
Zusammengefasst ist Sisi ein Buch, in dem geschichtliche Fakten und eine moderne, nahezu klatschpresseartige Erzählung kombiniert wird. Dennoch finden sich immer wieder Kapitel, die so eintönig sind wie das Leben der Kaiserin selbst es wohl war. Geschichts- und Sisi-Interessierte kann der Roman vielleicht begeistern – alle anderen wird er eher langweilen.
Ich habe viel Neues erfahren-gute Recherche.
LG Marlis