Welche Rolle spielen Pornos in unserer Gesellschaft und was hat Moby Dick mit dem Ganzen zu tun? In ihrem Buch Porno – eine unverschämte Analyse geht Madita Oeming zielsicher und humorvoll diesen und weiteren Fragen nach. Ein erfrischend ungehemmter Appell für gesellschaftliche Aufgeschlossenheit.
Von Mirjam Düsmezer
Bild: Deon Black via Letstalksex
Das stellt Madita Oeming in ihrem Buch Porno – eine unverschämte Analyse (Rowohlt 2023) immer wieder fest. Anhand anschaulicher Zahlen und Statistiken erhellt die freie Pornowissenschaftlerin, wie durch die Tabuisierung von Pornos eine Entfremdung zur eigenen Sexualität stattfinden kann und wie die Akzeptanz der Tatsache, dass Pornos längst Teil unserer Alltagskultur sind, diesem Konflikt entgegenwirken könnte. Die offenbar fest verankerten Gründe für Angst und Scham, die einen offenen Dialog blockieren, werden wissenschaftlich fundiert analysiert. Dabei benutzt Oeming kurze Sätze, die das komplexe Thema noch greifbarer machen.
Die Autorin geht zudem auf die geschlechterspezifischen Unterschiede im Umgang mit Pornografie zwischen Frauen und Männern ein und zeigt die Verbindung zur eigenen, persönlichen Freiheit auf. Das unterrepräsentierte Thema weiblicher Sexualität greift sie optimistisch auf, indem sie nachzeichnet, wie sich die Welt der Pornografie zu einer frauenfreundlicheren entwickelt, sodass sich ihr Buch auch als feministisches Werk verstehen lässt.
Der Wandel der Akzeptanz
Mit einer guten Portion Humor erzählt Oeming davon, wie sie selbst dem Thema durch ihre Abschlussarbeit nähergekommen sei: Diese sollte zu Beginn Melvilles Moby Dick beleuchten und wurde später (weil man bei der Internetrecherche nach dem Namen »Dick« unvermeidlich auf entsprechende Suchergebnisse stößt) zu Moby’s Dick umbenannt. Außerdem schildert Oeming, wie sich ihr Leben durch eine größere Offenheit verändert habe. Ihre wissenschaftliche Analyse wird den Leser:innen durch die Einbindung eigener Erfahrungen auf eine leicht verständliche Art und Weise vermittelt und mit interessanten Statistiken, wie zum Beispiel zum Konsumverhalten, differenziert nach Nationalität oder Alter, unterlegt. Mit Leichtigkeit verbindet Oeming den geschichtlichen Wandel mit dem heutigen Status Quo und deckt zentrale Zusammenhänge auf. Durch ihre Selbstreflexion regt Oeming dazu an, sich selbst zu hinterfragen und das Thema Porno aus einer neuen Perspektive zu betrachten.
»Unter dem Deckmantel vermeintlicher Wissenschaftlichkeit und Objektivität werden lang existierende Vorbehalte gegenüber Pornografie nun als von Wertvorstellungen losgelöste Fakten dargestellt.«
Die sieben Kapitel führen häppchenweise in das umfangreiche Thema ein, sodass man einen guten Überblick über den ganzen Diskurs bekommt, ohne jedoch wichtige Details zu vermissen. Unkompliziert klärt die Autorin darüber auf, wie Kinder und Jugendliche heutzutage mit Pornos umgehen und bezieht dabei auch das Thema »Pornosucht« ein. Währenddessen klärt sie über viele Missverständnisse und Mythen rund um das Thema, wie beispielsweise die ›NoFap-Bewegung‹ (also die freiwillige Verweigerung der Masturbation und des Konsums von Pornografie) auf. Sie identifiziert dabei auch die Ursprünge der Stigmatisierung des Pornokonsums, da es in der heutigen Gesellschaft nicht selbstverständlich sei, die Wurzeln der Pornografie und der damit verbundenen Angst und Scham überhaupt zu kennen. Die Autorin scheut sich nicht, Themen wie diese, die in der Gesellschaft normalerweise stillgeschwiegen werden, weil sie als »verwerflich« oder »unverschämt« gelten, offen und ehrlich herauszustellen, worauf der Titel ihres Buches schon anspielt.
Eine Kulturrevolution
Durch die gelungene Balance zwischen eigenen Erfahrungen und wissenschaftlicher Untersuchung enttabuisiert Oeming das Thema Pornografie in ihrem Werk Stück für Stück und bringt dadurch gleichzeitig seine Komplexität ans Licht. Dabei schafft sie es, die Thematik nachvollziehbar auszubreiten, sodass sich ihr Buch für ein breites Publikum gut eignet. Sie zielt auf eine in Zukunft freie und natürliche Auseinandersetzung mit Pornos, die, wie sie in ihrem Buch deutlich macht, als »ein Spiegel der Gesellschaft« begriffen werden können, und plädiert für bessere Ressourcen in der sexuellen Bildung und mehr Akzeptanz untereinander.
It was a really interesting introduction to the book.