Auf den Spuren eines Podcasts

Studierende der Universität Göttingen nehmen im Interviewpodcast Kannst du mir folgen? Interpretationen literarischer Texte in den Blick. Leitende Metapher dabei: Eine wissenschaftliche Interpretation als Reiseroute begreifen, der man nachgehen kann. Hier geben Anna Dahlke und Emilia Kröger Einblicke in die Podcastproduktion.

Von Svenja Brand

Bild: Das KDMF-Team. Hintere Reihe v. l. n. r.: Cornelius Blank, Jana Eckardt, Sidney Lazerus, Emilia Kröger, Anina Karch; vordere Reihe v. l. n. r.: Selina Schauer, Johanna von der Fecht, Anna Dahlke. Foto: Svenja Brand

Euer Podcast trägt den Titel Kannst du mir folgen? – Wer soll da wem wobei folgen können?

Anna Dahlke: Unsere Zielgruppe sind erstmal alle, die an Literatur interessiert sind und sich mit literaturwissenschaftlichen Interpretationen beschäftigen wollen. Darum geht es ja bei uns: Interpretationen und das Argumentieren für eine Interpretation besser nachvollziehbar zu machen. Es gibt einen Fokus auf Studierende der Geistes- und Literaturwissenschaften, aber wir haben auch Abiturient:innen im Blick, schauen z. B. immer mal, welche Literatur gerade in der Schule aktuell ist. Wie überall in der Wissenschaftskommunikation geht es darum, Hürden abzubauen. Unser Anliegen ist es nachzuvollziehen: Wie ist diese Person zu ihrer Interpretation gekommen, was sind die einzelnen Wege, die eingeschlagen wurden?

Emilia Kröger: Wir nehmen die Perspektive von Studierenden ein, versuchen, bei komplizierten Begriffen oder abstrakten Thesen auch mal nachzuhaken. Es geht schon darum, dem:der Interpret:in zu folgen, wir nehmen dabei eine Mittlerposition ein.

Literaturwissenschaftliche Interpretationen und ihre Argumentation besser verstehen: das klingt anspruchsvoll. Ist das ein geeignetes Thema für einen Podcast?

A. D.: Ich glaube, das ist gerade gut als Thema für einen Podcast. Es hilft zum Verstehen immer, das Medium zu wechseln, also von einem schriftlichen Forschungstext zu einem Interview. Wir sind ja dadurch im direkten Gespräch mit der entsprechenden Person, man hat die Möglichkeit, nachzufragen, wenn man etwas nicht verstanden hat. Das nimmt einen Gedanken aus dem manchmal vielleicht doch starren, mit Fachbegriffen durchsetzten Textgefüge heraus und man hat die Möglichkeit, das Ganze auf einer leichter zugänglichen Ebene zu besprechen. Das ist ein Weg, Hürden zu nehmen. Und man merkt, dass es den Forscher:innen auch ein Anliegen ist, verstanden zu werden. Außerdem können die Hörer:innen bei einem Podcast selbst entscheiden: Möchte ich noch einmal zurückspulen und etwas nachhören, möchte ich etwas überspringen, das mich gerade nicht so interessiert?

Wie seid ihr auf das Podcast-Format gekommen?

E. K.: Wir gar nicht. Ich bin seit 2022 dabei, Anna seit einem halben Jahr. Gegründet hat den Podcast Oke-Lukas Möller 2020, das war ein bisschen so etwas wie ein Pandemieprojekt: Man sitzt zu Hause, hat nicht so viel zu tun und dann kommt die Idee. Für mich ist das Format aber auch ganz folgerichtig: Wenn wir Literatur und Interpretationen lesen, wollen wir natürlich auch darüber sprechen. Nach den ersten Folgen, die Oke alleine produziert hat, gibt es jetzt ein größeres Team. Insbesondere die Moderation wird jetzt von zwei Personen pro Folge übernommen. Ursprünglich gab es ein Staffelkonzept, bei dem bis zu drei Folgen produziert und dann zusammen veröffentlicht wurden. Davon sind wir mittlerweile aber weggekommen und planen jetzt Folge für Folge, das nimmt auch den Druck etwas raus, drei Folgen gleichzeitig zu produzieren.

Heute seid ihr beiden stellvertretend für das Projekt da, euer Team ist aber größer. Wer steht hinter Kannst Du mir folgen?

A. D.: Im Kernteam sind wir aktuell sieben Personen. Ab dem Sommersemester 2024 haben wir zusätzlich eine studentische Hilfskraft im Projekt. Außerdem gibt es jemanden, der die Website betreut.

E. K.: Mittlerweile sind wir auch institutionell angebunden. Vor allem durch die Initiative von Stefan Descher (Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Anm. der Redaktion) sind wir jetzt Teil des Seminars für Deutsche Philologie an der Uni Göttingen. Wir sind zwar alle ehrenamtlich dabei, können aber z. B. Vertriebskosten für den Podcast über Mittel der Professur von Tilmann Köppe finanzieren.

Wie entscheidet ihr, welche:r Forscher:in oder welcher Text für euch interessant ist?

A. D.: Das ist sehr davon geleitet, was uns als Mitglieder gerade interessiert. Meist bringt jemand einen Forschungstext ein und der wird dann gemeinsam begutachtet: Interessiert uns das? Dann lesen wir den Text im Team und haben ein paar Kriterien: Das Thema muss interessant sein, die Länge muss für uns machbar sein. Wir gucken auch durchaus kritisch, ob wir mit der Argumentation etwas anfangen können, wo wir Klärungsbedarf haben.

E. K.: Ja, und bei der Argumentation sollte es einen gewissen Sweet Spot geben. Wir müssen genug nachvollziehen können, um mit dem Text etwas anfangen zu können, aber auch genügend kritische Punkte finden, damit man ein echtes Erkenntnisinteresse hat und ein gutes Gespräch führen kann. Von den Themen: Ja, wir schauen, was uns interessiert, aber gehen auch von der Zielgruppe aus: Was lesen Abiturient:innen im Abitur, mit welchen literarischen Texten beschäftigen sich Studienanfänger:innen. Häufig eignen sich auch kanonische oder bekannte Texte, weil wir bis zu einem gewissen Grad voraussetzen, das unsere Hörer:innen den interpretierten Text kennen. Das müssen wir, weil wir es bei dem begrenzten Zeitraum für eine Folge nicht leisten können, auch den literarischen Text intensiv zu besprechen. Und wenn ich recherchiere, gehe ich auch von Personen oder Forschenden aus, die ich interessant finde, manchmal hat man ja so einen Forschungscrush (lacht).

A. D.: Wir haben auch den Anspruch, vielfältige Texte auszuwählen: Dass wir bei den Forschenden gucken, dass alle Geschlechter in einem gleichen Verhältnis vertreten sind, –

E. K.: – das gilt auch für die Autor:innen –

A. D.: – dass wir Drama-, Lyrik- und Prosainterpretationen abdecken und nicht zu einseitig werden.

E. K.: Und auch zeitlich gucken wir, dass wir Literatur aus der Gegenwart beachten, mal etwas, das ein bisschen älter ist. Wir haben noch keine mediävistischen Texte!

A. D.: Das wäre auch mal interessant!

Beschränkt ihr euch auf sehr aktuelle Forschungstexte?

A. D.: Die Personen, die wir einladen, sollten möglichst noch aktiv in der Forschung sein, sonst wird es einfach schwierig, den Kontakt aufzubauen und ein Gespräch zu führen.

E. K.: Und unseren Gäst:innen fällt es vielleicht auch leichter, über einen Forschungstext zu sprechen, der noch nicht zu alt ist. Aber wir haben uns zeitlich keine strikte Grenze gesetzt.

Kontakt aufbauen ist bestimmt ein wesentlicher Schritt – wie läuft die Produktion von einer Podcastfolge ab?

A. D.: Es gibt mittlerweile einen ganz gut etablierten Workflow. Es beginnt mit der Textauswahl. Sobald wir uns auf einen Text geeinigt haben, fragen wir die forschende Person an. Nach der Zusage entwickeln wir einen Fragenkatalog, den unsere Gäst:innen im Groben auch zur Vorbereitung bekommen, und recherchieren – zum Thema, zum literarischen Text, manchmal auch zur leitenden Theorie. Vor der eigentlichen Aufnahme gibt es ein Gespräch, das eigentliche moderierte Gespräch wird dann aufgenommen. In der Nachbereitung geht es vor allem um den Schnitt – unsere Folgen sollen in etwa eine Stunde lang sein – aber es müssen auch Texte, z. B. für die Veröffentlichung und für Social Media, geschrieben werden.

Habt ihr dabei feste Verantwortlichkeiten?

E. K.: An sich nicht. Aber natürlich gibt es bestimmte Dinge, die jede:r gerne macht und die sich dann auch eher etablieren.

A. D.: Es hängt auch immer am Arbeitsaufwand für eine Tätigkeit und an den aktuellen Kapazitäten der Mitglieder. Eine Moderation z. B. ist mehr Aufwand als das Mitarbeiten am Fragenkatalog.

E. K.: Für eine einzelne Folge legen wir die Verantwortlichkeiten dann schon fest. Wenn wir wissen, welchen Text wir machen und wer in den Podcast kommt, ist das sinnvoll.

Was ist für euch bei der Produktion die größte Herausforderung?

E. K.: Das Zeitmanagement. Wir haben recht flexible Treffen, aber neben dem Studium und / oder der Arbeit muss man die Zeit für die Podcast-Arbeit finden.

A. D.: Anders als bei einem ganz persönlichen Interesse für eine Hausarbeit muss der Blick auf den Forschungstext weiter sein, mehr berücksichtigen. Es reicht nicht, nur das zu beachten, was für meine Arbeit relevant ist. Das in der Breite zu leisten, ist herausfordernd.

E. K.: Und man muss die Hörer:innen mitdenken. Wir müssen zwar z. B. eine gewisse Kenntnis des literarischen Texts voraussetzen, versuchen aber ansonsten, so wenig vorauszusetzen wie möglich. Dabei können wir nicht wissen, ob wir das auch schaffen – vielleicht hat unsere Zielgruppe ganz andere Fragen an den Text, ganz andere Verstehensvoraussetzungen. Deshalb freuen wir uns über Feedback.

Gibt es eine Podcast-Erfahrung, aus der ihr besonders viel mitgenommen habt?

E. K.: Bei mir ist es vor allem die Wahrnehmung, dass man bei den Moderationen Forscher:innen auf Augenhöhe begegnet, dass man als interviewende Person auf jemanden zugeht. Das ist eine andere Erfahrung als in einem Seminar. Und es ist so schön, wenn unsere Gäst:innen mit Begeisterung bei der Sache sind und auch Spaß an ihren Texten und der Vermittlung davon haben. Das war zum Beispiel ganz toll mit Hannah Markus in unserer Folge zu »Retronarration in Ilse Aichingers Spiegelgeschichte«, unsere Gästin war so engagiert und ich habe über die Auseinandersetzung mit dem doch herausfordernden Forschungstext überhaupt erst Ilse Aichinger kennengelernt.

A. D.: Ich finde, es ist eine sehr wertvolle Erfahrung, mit anderen Studis an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten, offen sagen zu können: Den Aspekt habe ich jetzt nicht verstanden, können wir das zusammen nochmal durchsprechen? Die enge Teamarbeit, das ist eine sehr erfüllende Erfahrung, zum Beispiel, wenn wir gemeinsam den Fragenkatalog vorbereiten.

Kann man bei Interesse einfach bei euch mitmachen?

E. K.: Auf jeden Fall!

A. D.: Am besten kann man uns per E-Mail kontaktieren, aber auch eine DM auf Instagram funktioniert. Im letzten Semester haben wir einen offenen Kennenlernabend organisiert, zu so etwas sind Interessierte natürlich auch eingeladen, einen Hinweis darauf gäbe es zum Beispiel auf Social Media. Wir freuen uns auf jeden Fall jederzeit über neue Mitglieder. Man braucht auch keine Vorerfahrung, nur Lust und Interesse. Und es ist auch völlig okay, wenn man erstmal reinschnuppern möchte.

E. K.: Ich hatte selbst vorher überhaupt keine Podcast-Erfahrung, das gilt eigentlich für uns alle. Viel ist Learning by Doing im Team.

Mögt ihr verraten, was ihr für die nächste Folge plant?

E. K.: Wir haben gerade eine Anfrage rausgeschickt, warten aber noch auf die Rückmeldung. Insofern behalten wir es noch ein bisschen für uns. Bei unserer aktuellen Folge bekommt man aber vielleicht auch einen ganz guten Eindruck, worum es in unserem Podcast auch mal gehen kann: Wir haben mit Christoph Kleinschmidt über Popkultur und Medien in gleich zwei literarischen Texten gesprochen, Soloalbum von Benjamin von Stuckrad-Barre und Realitätsgewitter von Julia Zange. Das war echt spannend, weil hier zwei literarische Texte zusammengedacht werden, die ich selbst nie zusammengebracht hätte.

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