Im November wurde im Theater im OP das Stück Das perfekte Geheimnis unter der Regie von Thomas Rühling gespielt. Vier befreundete Paare. Allerlei Geheimnisse – aufgedeckt durch das Handy. Ein ausdrucksstarkes und überzeugend umgesetztes Drama, in das uns eine der Darstellerinnen einen Einblick gewährt.
Text und Interview von Sidney Lazerus
Bilder: Dirk Opitz
Am Abend des 10. November warten die ersten Zuschauer:innen gut gelaunt vor dem Eingang des ThOP auf den Einlass. Gespielt wird das Stück Das perfekte Geheimnis unter der Regie von Thomas Rühling. Auch innen hängt – wie vor jeder Vorstellung – eine freudige Erwartung in der Luft, wie Darstellerin Julia Klumpe im Interview mit einem Schmunzeln verrät. Bis zu Beginn des Stückes sind alle Reihen im Theater belegt, hier und da wird noch aufgerückt, um weitere Plätze zu schaffen. Nach dem dritten Glockenschlag geht es los. Das erste Paar, Eva und Rocco, gespielt von Ramona Reineke und Tommy Czapla, betritt die Bühne. Es folgt der Besuch der befreundeten Paare Carlotta und Lele (Julia Klumpe und Erik Bosse) und Bianca und Cosimo (Anina Karch und Lennart Kanitz) sowie von Peppe (Matthias Hofmann). Alle begrüßen sich fröhlich und mit herzlichen Umarmungen, die Stimmung ist entspannt, harmonisch. Bei Pizza und Wein tauschen sich die sieben Freunde zunächst zwanglos über Neuigkeiten aus und sehen sich die romantische Mondfinsternis vom Balkon aus an. Ein eigentlich perfekter Abend, oder?
Das Smartphone – heute kaum mehr wegzudenken – spielt im Stück die Hauptrolle, ist Dreh- und Angelpunkt der ganzen Handlungsentwicklung. Die Freunde beginnen ein Spiel, das sie durch den Abend begleiten soll. Alle legen ihr Mobiltelefon auf den Couchtisch und alle Nachrichten und Anrufe werden mit allen geteilt. Schon zu Anfang merkt man das Unbehagen darüber bei einigen Figuren. Die von Eva als »lustiges Spiel« angekündigte Idee verwandelt den ganzen Abend schließlich in ein echtes Drama. Es werden heimliche Affären aufgedeckt, Ehen zerstört, Missverständnisse häufen sich und die Freundschaft der sieben wird hart auf die Probe gestellt.
Ein Blick hinter die Kulissen
Julia Klumpe studiert an der Universität Göttingen Philosophie und Germanistik und ist seit Anfang des Jahres als Schauspielerin beim ThOP dabei. Im Stück spielt sie die Carlotta. Carlotta ist Alkoholikerin und kämpft mit ihrem Mann Lele schon länger um die gemeinsame Ehe. Im Interview beantwortet Julia Klumpe Fragen zu ihrem Schauspiel und der Inszenierung von Das perfekte Geheimnis.
Wie würdest Du das Stück Das perfekte Geheimnis spontan in drei Worten beschreiben?
Dramatisch, lustig und aber auch traurig, gerade zum Ende hin.
Was macht die Handlung für die Zuschauer:innen Deiner Meinung nach interessant?
Das Stück ist sehr lebendig, eine tolle Mischung aus vielen humorvollen Wortwechseln zwischen den Freunden und eher ernsten Themen. Dieser Cocktail aus verschiedensten Emotionen, die im Laufe des Stückes dargestellt werden, ist meiner Ansicht nach das Besondere am Stück. Dadurch wird es, denke ich, auch nicht langweilig, sondern bleibt abwechslungsreich, geht auch in die Tiefe. Ich finde auch, dass das Publikum sehr passend auf den jeweiligen Umschwung reagiert hat. Während die Zuschauer:innen auch für uns Schauspieler:innen in den komischen Szenen sehr präsent waren und mit ihrem Lachen am Geschehen teilhatten, haben sie die Handlung nach und nach mit dem Aufdecken privater Geheimnisse unter den Freunden gespannter verfolgt. Das Publikum hat sich toll auf die jeweilige Situation eingestellt, sodass uns das Spielen noch mehr Spaß gemacht hat.
Welche war Deine persönliche Lieblingsszene im Stück?
Oh, das war die Szene, in der Carlotta Lele, ihren Mann, im Zuge des Streites aufgrund seiner angeblichen, gerade aufgedeckten Affäre mit einem Mann laut anschreit. Carlotta fordert hier ihren Mann aufbrausend auf, ihr zu sagen, wie lange das schon laufen würde und fragt ihn mit einem ironischen Unterton, wie sie das den Kindern erklären sollen. Der Text, den ich an dieser Stelle sage, ist folgender: »Ja klar, vielleicht sogar noch vor Rosa und Bruno, Kinder wir müssen euch was sagen, Papa ist schwul. […] Aber bitte sagt es nicht der Lehrerin, denn was würden wir sonst für ein Bild abgeben, wenn Papa euch von der Schule abholt.« Vor allem das »Ausrasten« in dieser Szene hat unglaublich viel Spaß beim Spielen gemacht.
Dich hat also vor allem gereizt, dass Deine Rolle sehr vielseitig war und Du in ihr verschiedenste Gemütslagen darstellen konntest?
Genau, die Frauenrolle birgt insbesondere dadurch, dass Carlotta eigentlich ununterbrochen trinkt und dadurch irgendwann ihr ganzes Schamgefühl verliert, ein sehr großes Potential und die Möglichkeit, ganz unterschiedliche Ausstrahlungen zu erproben.
Gab es denn auch eine besonders herausfordernd zu spielende Szene für Dich?
Ja, da muss ich nicht lange überlegen. Das war vor allem die Abschlussszene, in der Carlotta ihren Monolog hält. Es ist eine sehr emotionale Szene, in der tiefe Empfindungen dargestellt werden und die Emotionen authentisch transportiert werden müssen, was sich gerade zu Beginn als nicht leicht gestaltet hat. Carlotta beichtet in dieser Szene, dass nicht ihr Ehemann den Autounfall vor ein paar Jahren verursacht habe, sondern sie selbst und dass dabei sogar ein Mensch gestorben sei. Ihr Mann hat die Schuld auf sich genommen, da Carlotta an dem Abend stark angetrunken war. Seit diesem Vorfall haben weder sie noch Lele jemals ein Wort darüber verloren – bis jetzt. Carlotta erkennt und gesteht sich in dieser Szene ein, dass dies eigentlich das Einzige ist, was sie mit ihrem Mann noch verbindet – das Schuldgefühl. Es ist eine wirklich bewegende Stelle im Stück, in der auch die Zuhörenden nach meinem Eindruck den Atem angehalten haben.
Ich als Zuschauerin hatte auch den Eindruck, dass Du voll in Deiner Rolle angekommen bist. Wie war es insgesamt für Dich in die Rolle der Carlotta zu schlüpfen? Konntest Du dich mit ihr in bestimmten Charakterzügen auch identifizieren?
Ich habe Carlotta sehr gerne dargestellt und konnte mich auch gut und recht schnell in die Figur einfühlen. Ich empfand es als sehr bereichernd, die Rolle spielen zu dürfen. Allerdings hatte ich absolut keine Identifikation mit der Figur, weil sie und ich als Privatperson gänzlich verschiedene Charaktere sind. Gerade dies reizt mich aber, das macht es für mich gerade erst aus. Ich finde es schön, in Rollen schlüpfen zu dürfen, die sich komplett von mir als Person unterscheiden. Dadurch kann ich mich oft sogar noch besser in die Rolle einfühlen. Umso größer der Abstand, d. h., je weiter weg die Rolle von mir persönlich ist, desto einfacher finde ich es, sie authentisch zu spielen und desto mehr Spaß macht es auch. Es ist dann so, als würde man einen Schalter umlegen. Ein Fingerschnippen – und schon ist man jemand anderes. Für den Augenblick jemand anderes zu sein, hat etwas Aufregendes, Faszinierendes.
Ihr Darsteller:innen habt alle sehr gut aufeinander abgestimmt und authentisch in euren jeweiligen Rolle gewirkt. Wie empfandest Du das Miteinander im Team?
Das war immer sehr harmonisch und angenehm. Ich denke, es war sehr vorteilhaft, dass wir nur ein kleines Ensemble aus sieben Leuten – plus Regie und Regieassistenz (Thomas Rühling und Amelie Otte) – waren, da so gut auf den individuellen Typ der einzelnen Schauspieler:innen eingegangen und sehr gezielt geprobt werden konnte. Die Zusammenarbeit war bis zum Ende sehr schön, da wir uns alle auch gegenseitig sehr unterstützt haben. So wurden die Aufgaben hinter den Kulissen, wie Wäsche waschen, Pizza backen – die auch als Requisit im Stück verwendet wurde – oder das Aufräumen nach einer Vorstellung sehr gerecht verteilt.
Während ich das Stück gesehen habe, hat mich die Sprach- und Situationskomik sehr in ihren Bann gezogen, ich musste oft herzhaft lachen. Wie war das für Dich als Schauspielerin? Musstest Du dich zusammenreißen, um auf der Bühne nicht ebenfalls mit dem Publikum laut mitzulachen?
Oh ja! Auch an vielen Stellen, an denen es in meiner Rolle sehr unpassend gewesen wäre, war es sehr schwierig, nicht mitzulachen oder wenigstens zu schmunzeln. Die eigene Mimik da immer unter Kontrolle zu halten, kann schon sehr mühevoll sein.
Es gab am Ende viel und lange Applaus für euch. Ich finde, das Stück hat einen noch den ganzen Abend begleitet. Wie ist das, nach dem Stück schließlich von der Bühne zu gehen? Hallt das Stück bei Dir dann wie in den Köpfen der Zuschauer:innen auch noch länger nach oder kannst Du gleich wieder »den Schalter umlegen« bzw. aus Deiner Rolle schlüpfen?
Ah, das ist eine schwierige Frage. Ich würde sagen, bei mir persönlich ist es schon so, dass ich, wenn ich die Bühne verlassen habe, relativ schnell meine Rolle ablegen kann. Wir alle sind nach einer Aufführung zwar immer noch voller Adrenalin, aber eben schon wieder wir selbst. Z. B. haben wir uns auch direkt danach immer gleich abgeschminkt und umgezogen, was uns diese Umstellung vielleicht auch erleichtert und dementsprechend nie ein Problem dargestellt hat.
Und noch eine letzte Frage an Dich. Ich denke, das Stück transportiert eine sehr eindrückliche Botschaft. Wie würdest Du diese formulieren?
Die Hauptmessage des Theaterstückes ist für mich vor allem, dass man immer nur das Äußere einer Person erkennt, nicht in ihr Inneres schauen kann. Man kennt einen Menschen immer nur so weit, wie dieser es erlaubt. Selbst bei Leuten, die man als Freunde bezeichnet und die man jahrelang kennt, kann man stets noch überrascht werden, man weiß nie sicher, was sie denken und fühlen. Es gibt stets auch Geheimnisse, Dinge, die Menschen von sich aus nie erzählen würden, auch ihren Freunden nicht. So können selbst Freunde zu Fremden werden.
Sidney Lazerus und Julia Klumpe kennen sich aus dem Studium und haben auch bereits gemeinsam für Litlog geschrieben.