Triggerwarnung: Erwähnung von Mord
Menschliche Knochen im Hundezwinger, mehrere ermordete Frauen und eine dunkle Vergangenheit: In Muttertag, dem neunten Band des Taunus-Krimis von Nele Neuhaus, ermitteln Oliver von Bodenstein und Pia Sander gemeinsam in einer Mordserie.
Von Sarah Kempe
Bild: Via flickr by cosmoflash, CC BY-SA 2.0
In Muttertag ermitteln Oliver von Bodenstein, Pia Sander und das Team des K11 in Hofheim gemeinsam in einer Mordserie. Er erschien 2018 im Ullstein Verlag als neuer Band von Nele Neuhaus’ Taunus-Krimi-Reihe und steht seinen Vorgängern in nichts nach. Wieder einmal schafft es Deutschlands erfolgreichste Krimiautorin, ihre Leserschaft von Anfang an in den Bann ihres Romans zu ziehen: und zwar durch Spannung!
Ein Toter und drei Frauenleichen
Im Wohnhaus einer stillgelegten Fabrik wird die Leiche des 84-jährigen Theodor Reifenrath gefunden, die dort vermutlich schon seit fast zwei Wochen liegt. Reifenrath hatte seit dem mysteriösen Verschwinden seiner Frau vor zwanzig Jahren nur noch wenig Kontakt zu anderen Menschen und lebte sehr zurückgezogen; deshalb hat ihn auch zuvor niemand vermisst. Die Kommissarin Pia Sander wird zum Fundort der Leiche gerufen.
Auf der Suche nach Reifenraths Hund entdecken die Ermittler einen zugewachsenen Hundezwinger am Waldrand und neben dem beinahe verhungerten Hund finden sie menschliche Knochen. Die bereits eingetroffene Spurensicherung entschließt sich, die Bodenplatte des Zwingers komplett zu öffnen. Darunter stößt sie auf drei in Folie gewickelte Frauenleichen. Oliver von Bodenstein und Pia Sander können rekonstruieren, dass sie alle an einem Sonntag im Mai ermordet wurden: am Muttertag. Hat Reifenrath die Frauen umgebracht und auf seinem Grundstück vergraben? War er etwa ein Serienmörder und was könnte sein Motiv gewesen sein? Oder läuft der Mörder noch frei herum und ist auf der Suche nach seinem nächsten Opfer? Das Ermittlerduo steht besonders unter Zeitdruck, denn es naht der nächste Muttertag.
Oliver von Bodenstein und Pia Sander nehmen die Ermittlungen auf und beginnen damit, das Leben von Theodor Reifenrath und dessen Umfeld zu durchleuchten. Dabei müssen sie mit ihren Ermittlungen weit in die Vergangenheit des Toten gehen. Sie finden heraus, dass Theodor Reinfenrath und seine Frau seit den 1960er Jahren immer wieder Pflegekinder aufgenommen haben. Für die Aufnahme von Pflegekindern boten ihr großes Grundstück und das Wohnhaus gute Voraussetzungen. Vom Jugendamt unterstützt und geschätzt nahm das Paar immer wieder verhaltensauffällige Kinder zu sich, die als schlecht zu vermitteln galten. Nach außen hin zeigte sich Rita Reifenrath als eine fürsorgliche und liebevolle Pflegemutter; was sich aber wirklich hinter der Fassade abspielte, blieb unbemerkt. Bei den Nachforschungen stößt das Ermittlerteam nun auf dunkle Kapitel in der Vergangenheit der Familie.
Typisch Neuhaus: Spannend, fesselnd und mitreißend
Die Geschichte um Theodor Reifenrath ist inspiriert von realen Mordfällen, die im südhessischen Schwalbach der 1990er Jahre begangen wurden. Nele Neuhaus nutzte die bis heute nicht gänzlich aufgeklärte Mordserie aus dem Taunus-Kreis als Aufhänger und dichtete sie für ihren Krimi um. Dabei arbeitete sie im Rekordtempo, schrieb »wie im Rausch« und begeisterte mit dem Ergebnis ihre Fans.
Denn auch bei Muttertag handelt es sich um einen für Nele Neuhaus typischen Krimi, der sich durch einen flüssigen Schreibstil und detaillierte Beschreibungen, beispielsweise von Orten und Personen, auszeichnet. Wer schon den einen oder anderen Band der Taunus-Reihe gelesen hat, ist von den überraschenden Wendungen im Plot vielleicht nicht so erstaunt wie ein Neuhaus-Neuling: Auch hier geht der Autorin das Fingerspitzengefühl für spannende und unerwartete Momente nicht aus. Da die Fälle in sich abgeschlossen sind, ist es nicht zwingend notwendig, die Krimis in Erscheinungsreihenfolge zu lesen. Wer aber die privaten Veränderungen und Wandlungen der Ermittler*innen verfolgen möchte, sollte die Bände der Reihe nach lesen.
Das Täterprofil als Puzzle
Der Krimi spielt innerhalb eines Zeitraums von 13 Tagen im April 2017. Nach dem kurzen Prolog, mit dem Nele Neuhaus ihre Leser*innen bereits gepackt hat, wird direkt in die Handlung des Taunus-Krimis eingestiegen. Diese ist spannend und mitreißend, hält Überraschungen und psychologische Tiefgänge bereit. Als Leser*in wird einem das Gefühl vermittelt, bei den Ermittlungen von Oliver von Bodenstein und Pia Sander live dabei zu sein: Denn es muss einfach mitgerätselt werden! Ständig kommen neue Motive hinzu, die das Täterprofil überraschend ergänzen. Wie auch in ihren anderen Taunus-Krimis wechselt die Autorin zwischen einzelnen Handlungssträngen hin und her. Diese verknüpft sie aber geschickt zu einer umfassenden und schlüssigen Geschichte.
Neuhaus erzählt ihren Krimi in der Vergangenheits- und Gegenwartsebene sowie aus drei unterschiedlichen Perspektiven. So lässt sie auch den Täter zu Wort kommen. In der Ich-Form beschreibt dieser seine Begegnungen mit den Opfern. Dadurch lernt die Leser*innenschaft seine Gedanken und Gefühle kennen. Eine weitere Perspektive und einen zweiten Handlungsstrang eröffnet der Bericht einer jungen Schweizerin, Fiona Fischer, die auf der Suche nach ihrer leiblichen Mutter ist und die heillos in die Geschichte verstrickt scheint. Die Schilderungen bleiben durch die Einschübe aus der Sicht von Fiona Fischer oder dem Täter stets dynamisch.
Was spricht also dafür, Muttertag zu lesen? – Auf jeden Fall die Spannung. Wer sich den Taunus-Krimi von Nele Neuhaus zu Gemüte führt, wird ihn so schnell nicht aus der Hand legen. Denn die aufregende Handlung mit interessanten und authentischen Charakteren fesselt von Anfang an. So wird einem als Leser*in die Gelegenheit geboten, ausführlich mitzurätseln und schließlich selbst herauszufinden, welche*r der möglichen Verdächtigen im Krimi sein Unwesen treibt.