Rachel Maddow wurde als Journalistin bekannt für ihre Fähigkeit, komplexe Themen gut verständlich darzustellen und zu erklären. In ihrem neuen Buch Prequel zeigt sie dieses Talent erneut – und schreibt über eine Zeit, in der die Vereinigten Staaten an der Kippe zum Faschismus standen.
Von Sebastian Brosowski
Wie kann sich die amerikanische Demokratie gegen den Faschismus wehren? In Rachel Maddows Buch Prequel – An American Fight Against Fascism (Crown 2023) wird genau diese Frage gestellt – jedoch nicht bezogen auf die Gegenwart. Maddow reist in ihrem Buch zurück in die Vereinigten Staaten der 1930er und 1940er Jahre. In Prequel erläutert sie den Aufstieg und den Fall des amerikanischen Faschismus der damaligen Zeit und wie der Kampf dagegen beinahe gescheitert wäre.
Aus europäischer Perspektive konnte man sich wahrscheinlich lange Zeit kaum vorstellen, dass Faschismus »Made in the USA« überhaupt möglich ist. Seit dem Aufstieg von Donald Trump, seiner Präsidentschaft und dem Sturm auf das Kapitol im Jahr 2021 hat sich das allerdings gewandelt. Doch in Prequel wird klar: Es ist nicht das erste Mal, dass ein solches Phänomen aufgetreten ist.
In den 1930ern waren es Paramilitärische Organisationen wie die ›Silver Shirt‹, die ›Christian Front‹ und andere, die Terroranschläge planten und durchführten, um im Chaos die Macht zu ergreifen. Auch planten diese Gruppen Massenmorde gegen Minderheiten in den Vereinigten Staaten. Und obwohl es Fanatiker außerhalb der Gesellschaft waren, so hatten sie sehr mächtige Freunde. So schlossen sich beispielsweise hunderte Polizisten aus New York der ›Christian Front› an und einige Abgeordnete gaben den Extremisten der ›Christian Front‹ und ›Silver Shirts‹ eine Stimme im US-Kongress.
Nazi-Deutschland nutzte diese Gruppen und andere, um eine Spaltung in der amerikanischen Gesellschaft zu erzielen, oder die Demokratie im Land gar ganz zu beenden. Bezahlt und unterstützt von Nazi-Deutschland war der Redenschreiber George Sylvester Viereck, der für US-Senator Ernest Lundeen arbeitete. US-Senator Burton K. Wheeler nutzte seine Vorteile als Amtsträger, um Nazi-Propaganda an Wähler:innen in seinem Wahlkreis zu schicken. Insgesamt waren es mehr als 24 Abgeordnete, die Propaganda für Nazi-Deutschland verbreiteten. Die Idee der Nazis, den »Feind von innen heraus zu zerstören« hatte auch Unterstützung in Amerika.
Rachel Maddow
Prequel
Crown: New York 2023
416 Seiten, $32.00
Maddow ist bekannt für ihre Fähigkeit komplexe Sachverhalte sprachlich geschickt und interessant darzustellen. Das zeigte sie bereits in ihren Büchern Blowout (Vintage 2019) und Drift (Broadway Books 2012). Prequel, das ursprünglich als Podcast mit dem Namen Ultra begann, zeigt dieses Talent von Maddow erneut. Die damaligen Gegner der amerikanischen Demokratie werden prägnant – wie in einem Podcast – dargestellt. Manchmal etwas zu verbal. So schreibt sie über Huey Long, einen ehemaligen Gouverneur und US-Senator, er gebe dem amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt »a big F U«.
Doch Maddow leistet auch einen enormen Beitrag, um überhaupt Aufmerksamkeit auf die damaligen Geschehnisse zu lenken. So schwer es zu glauben scheint, es gibt nicht viele akademische Auseinandersetzungen mit der Gefahr, in der die amerikanische Demokratie damals schwebte. Und das trotz der Anschlagspläne auf Munitionsfabriken (von denen einzelne auch explodiert sind), der Bewaffnung einzelner Gruppen (teilweise gestohlen vom US-Militär) oder der Nazi-Propaganda direkt aus dem US-Kongress. Zur damaligen Zeit war sich die Bevölkerung kaum der Gefahr um die eigene Demokratie bewusst. Maddows Arbeit und ihre Zusammenarbeit mit zahlreichen Historiker:innen ist auch aus geschichts-dokumentarischer Sicht von Bedeutung.
Prequel zeigt auf beeindruckende Weise, wie ungeschützt die amerikanische Demokratie vor Faschismus war und ist. Denn während Maddow nie einen direkten Vergleich zu den heutigen Herausforderungen der Demokratie in Amerika zieht, so wird dieser durch die sprichwörtliche Blume mehr als deutlich. Getreu dem Motto »Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich« zeigt sie, wie schnell selbstbezeichnete Patriot:innen zu Faschist:innen und Feinden der Demokratie werden können. So wird auch klar, dass der Titel Prequel nicht übertrieben ist, sondern zeigt, dass die Vereinigten Staaten schonmal an dem Punkt waren, an dem sie sich heute befinden. Die Frage ist: Können sie aus ihrer Vergangenheit lernen.