Simone de Beauvoir ist als französische Schriftstellerin, Philosophin und Feministin bekannt, die sich auch politisch engagierte. Ihr Werk Das andere Geschlecht (1949) wurde weltweit ein Erfolg und gilt als Meilenstein feministischer Literatur. Mit ihrem Leben beschäftigt sich die Graphic Novel Simone de Beauvoir: Ich möchte vom Leben alles.
Von Laura Pascalle Brose
Bild: Moshe Milner, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Simone de Beauvoir ist ein Name, der vielen ein Begriff ist. 1908 wurde sie in Paris geboren und entwickelte sich zu einer Philosophin, Feministin und Schriftstellerin. Um ihren einzigartigen Weg zu einer der aus heutiger Sicht einflussreichsten Denker:innen des 20. Jahrhunderts geht es in der Graphic Novel Simone de Beauvoir: Ich möchte vom Leben alles. Es ist eine Biografie der ganz anderen Art, die im Juni 2023 erschienen ist. Szenario, Zeichnung und Kolorierung stammen von Julia Bernhard, der Text von Julia Korbik. Beide haben bereits zuvor feministische Bücher geschrieben oder illustriert und auch ihr neuestes, erstes gemeinsames Werk kann sich sehen lassen.
Julia Korbik/Julia Bernhard
Simone de Beauvoir: Ich möchte vom Leben alles
Rowohlt: Hamburg 2023
224 Seiten, 25,00€
Auf den ersten Blick ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das Buch nicht für jede:n ansprechend wirkt. Der für Bernhard charakteristische Zeichenstil mit der auffälligen, schwarz umrandeten Nase und den schwarzen Knopfaugen in einem auch sonst eher einfach gehaltenen Design kann etwas gewöhnungsbedürftig sein, ist es aber auf jeden Fall wert, beachtet zu werden. Die gesamte Graphic Novel ist passend zum Design schlicht in Schwarz, Weiß und in Grautönen gehalten. Die Ausnahme bildet ein damit gut harmonierendes Ocker in verschiedenen Nuancen, womit Akzente gesetzt und Hintergründe mit Leben gefüllt werden. Auch wenn es teilweise schwer fällt, die unterschiedlichen Figuren auf Anhieb voneinander zu unterscheiden, lernt man das Design schnell lieben. Im Vergleich zu den sonst eher intensiven Farben von Comics und Fernsehen sind diese ruhigen Farbnuancen eine Wohltat für die Augen und machen es möglich, sich ohne Reizüberflutung auf den Inhalt der Graphic Novel zu konzentrieren.
Das, was diese Biografie so besonders macht, geht aber noch darüber hinaus. Denn inhaltlich werden keine objektiven Beschreibungen der verschiedenen Abschnitte des Lebens von de Beauvoir in den Vordergrund gestellt. Stattdessen werden Alltagssituationen beschrieben, die einen Einfluss auf ihr Leben und Denken hatten, wie beispielsweise den Tag im Juni 1929, als sie mit Freund:innen und Bekannten zum Bois de Boulogne geht. Dieser Tag stellt keinen Meilenstein in ihrem Leben dar, wie es beispielsweise ihr Abschluss in Philosophie ist. Er präsentiert dafür Beauvoirs philosophische Gedanken und feministische Einstellungen, so wie es auch andere beschriebene Situationen tun, in kompakter Form, wodurch diese um einiges greifbarer werden.
Gesetzt werden diese dadurch auch in den gesellschaftlichen Kontext, wodurch Vorwissen bezüglich des Lebens im Paris des 20. Jahrhunderts nicht zwingend notwendig ist. Falls doch Unklarheiten bestehen, ist direkt beim Aufschlagen der Graphic Novel ein übersichtlicher Zeitstrahl zu finden, der rechts wichtige Meilensteine im Leben von Simone de Beauvoir und links die Meilensteine Frankreichs in Bezug auf Bildung und Feminismus auflistet.
Biografie trifft Graphic Novel
Biografie trifft Graphic Novel – auf den ersten Blick eine scheinbar ungewöhnliche Kombination, die aber wunderbar funktioniert und wodurch sich diese Biographie von anderen abhebt. Gemischt mit Zitaten aus verschiedenen Werken von de Beauvoir wie zum Beispiel aus Memoiren einer Tochter aus gutem Hause oder Der Lauf der Dinge, stellt dieses Buch nicht nur das Leben der Schriftstellerin dar, sondern gibt auch konkrete Einblicke in Situationen aus ihrem damaligen Alltag. »Ich möchte vom Leben alles«, sagt sie von sich selbst, was die Graphic Novel auch widerspiegelt. Sie wünscht sich viele Freund:innen, möchte aber auch alleine sein; möchte gute Bücher schreiben, aber auch reisen und sich vergnügen, egal ob mit Männern oder Frauen.
All das und vieles mehr wird im Kontext ihrer philosophischen Gedanken dargestellt und zeigt wunderbar, wie das Leben einer französischen Frau im 20. Jahrhundert ausgesehen hat, die sich nicht mit den gesellschaftlichen Normen für Frauen zufrieden gab, sondern für die Möglichkeit kämpfte, über ihr Handeln selbst entscheiden zu können. Simone de Beauvoir: Ich möchte vom Leben alles ist unterhaltsam und ehrlich. Auch oder gerade, wenn einem der Name Simone de Beauvoir kein Begriff ist, sollte man dieser Graphic Novel eine Chance geben, es lohnt sich!