Heinz Strunk erzählt in Der goldene Handschuh die Geschichte des historischen Frauenmörders Fritz Honka. Eine Geschichte, in der das Individuum Honka zurücktritt hinter eine schonungslose Darstellung des sozialen Milieus einer Reeperbahn-Kaschemme.
Von Fabian Kaul
Bild: Emma7stern via Wikipedia / CC BY-SA 3.0 / Format geändert
Dass Heinz Strunk über den Hamburger Serienmörder Fritz Honka schreibt, mag angesichts seines sonstigen Schaffens überraschen. Es gelingt jedoch ausgezeichnet. Seine Schriftstellerkarriere begann Strunk 2004 mit Fleisch ist mein Gemüse. Seitdem folgten weitere Romane, stets mit einer Mischung aus Humor, Melancholie und autobiographischen Bezügen. Darüber hinaus ist Strunk Mitglied des humoristischen Trios Studio Braun, er schreibt für das Satiremagazin Titanic und tritt in der ebenfalls satirischen Fernsehsendung Extra 3 auf.
Die Kneipe »Zum goldenen Handschuh« fungiert in Strunks Roman als Anlaufstelle und Sammelbecken für gesellschaftliche Außenseiter. Außenseiter, die aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten stammen. So treten im »Goldenen Handschuh« neben der Hauptfigur Fritz Honka einerseits Personen wie Soldaten-Norbert auf, der seinen Weg über Waffen-SS und Fremdenlegion in die Kiez-Kneipe gefunden hat. Soldaten-Norbert »reibt seinen steifen Schwanz durch ein kreisrundes Loch, das er in den knallgelben Friesennerz geschnitten hat, an Frauen, die er heiß findet.« Neben Unterschichtsfiguren wie dem perversen Nazi wird die Kneipe andererseits auch von Mitgliedern der wohlhabenden Reeder-Familie von Dohren und von Karl von Lützow, dem Besitzer einer Anwaltskanzlei, frequentiert. Von Lützow ist stetig auf der Suche nach sexuellen Abenteuern, trinkt wie fast jeder in dem Roman übermäßig viel Alkohol und treibt sich mit Selbstmordgedanken herum.
Heinz Strunk
Der goldene Handschuh
Rowohlt 2016
256 Seiten, 19,95€
Es ist ein buntes Biotop verschiedenster abgehalfterter Personen, die im »Goldenen Handschuh« versacken. Anhand dieser Personen zeichnet Strunk nicht bloß das »Handschuh«-Milieu, sondern menschliche Abgründe generell, wie sie sich in einem Kiez-Kneipen-Reservat versammeln. Honka fällt zwischen den anderen Kneipenbesuchern nicht auf, er ist einer von ihnen. Er ist bloß der einzige, dessen Geschichte über die Grenzen des Reservats »Goldener Handschuh« hinaus Aufmerksamkeit erlangt. Gemeinsamkeit und Gleichmacher der verschiedenen Kneipenbesucher ist der Alkohol oder vielmehr der Alkoholmissbrauch. Strunk benutzt dabei ein Vokabular, das zwischen unterschiedlichen Formen exzessiven Alkoholkonsums zu unterscheiden vermag. Es gibt etwa den alkoholbedingten Zustand »Schmiersuff« oder auch unterschiedlich motiviertes Trinkverhalten in Form von »Sturzsuff«, »Vernichtungstrinken«, »Verblendschnäpsen« und »Stützbieren«. Dem Autor gelingt damit eine authentische, häufig auch sehr derbe Milieusprache. »Ich könnte Fotze fressen wie Kartoffelsalat. Ich werd den Sack erst auswringen und dann reinstopfen. […] Ich werd ihr in ‘n Arsch pissen« heißt es dort etwa, oder auch: »Bitte wässern Sie Ihren Aal nicht in der Dame.«
In diesem Umfeld steht der mehrfache Frauenmörder Fritz Honka nicht einfach als das personifizierte Böse da. Er ist eine abgestürzte, kaputte Person, physisch und psychisch. Aber er lässt dem Leser stets die Möglichkeit, dass sich die Abscheu vor seinen sadistischen Taten in Mitleid gegenüber der gescheiterten Person verwandelt:
Dass es gerade Honka ist, der zum Mörder wird, ist durch historisches Hintergrundwissen klar, nicht aber durch die Figurenkonzeption des Romans. So sind nahezu alle der im »Goldenen Handschuh« verkehrenden Personen so sehr durch persönliche Probleme und Alkoholmissbrauch gezeichnet, dass ihnen der kleine Schritt von der gestörten, nicht gesellschaftstauglichen Persönlichkeit hin zum Mörder problemlos zuzutrauen wäre.
Ungeachtet der ernsten Thematik regt der Roman in seiner derben, bisweilen absurden Art immer wieder zum Lachen an: »Als Fiete ihr Feuer gibt, lässt sie einen Furz. Sie trinkt noch schneller als er, das macht ihn geil, auch das noch.« Strunk hat sich in dem Roman nicht neu erfunden, der Witz seiner früheren Werke kommt auch in diesem Roman zum Tragen. Und das ist gut, denn ohne diese komische Seite, ohne das befreiende Lachen zwischendurch wären die menschlichen und gesellschaftlichen Abgründe rund um die Kiez-Kneipe vermutlich kaum zu ertragen. So bleibt dem Leser aber immer die Möglichkeit, dem Verstörenden durch Humor zu entfliehen.