Es ist schon ein bisschen her, im Juni 2017 war´s, da saß in der Jüdenstraße Nummer 24 allerlei Volk vor der Tür. Grund dafür war Göttingens erste Pop-Up-Galerie, sie trug den Namen FKK-Freiraum für Kunst und Kultur. Es folgt ein kurzer historischer Abriss inklusive Ausblick.
Von Dorothee Emsel
Bild: © Werner Braun/ CC-BY-SA
Behind the curtain
Die Idee für den FKK kam von David Braun, Göttinger Student, aus Gießen stammend. Dort ist das Konzept der temporären Kultur-Einrichtungen weiter verbreitet; Ideen und Wünsche zu deren Ausbau und Weiterführung gipfeln in der diesjährigen erstmalig stattfindenden Kunstbiennale in Gießen (»Giennale«) mit dem Titel »PopUp_Town«. Das Kulturfestival setzt sich zusammen aus einem Team, das sich im Rahmen des vom DAAD geförderten Projekts »Think Gießen Out of the Box – Visionen, Leadership, Projektmanagement« an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) zusammenfand.
David Braun fehlte derartiges in Göttingen, und so bildete sich eine Kommunikationskette zwischen ihm, Joscha Röhrkasse, Maximilian Meier und Christoph von Borell (Gründer des Verschlag-Verlags), mit dem Ergebnis, dass die vier Jungs zur festen Organisations-Instanz hinter dem FKK wurden.
Searching for Sugar House
Der Vorschlag wurde also einheitlich befürwortet und dann ging´s los: Wo gibt es Leerstand? Welche MaklerInnen und HausbesitzerInnen lassen sich darauf ein? Erstere waren nur schwerlich zu animieren: Wo keine Provision, da keine Motivation, das Konzept der langfristigen Mieteinnahmen geht zudem bei Kurzzeit-Vermietungen auf ökonomisch niedrigschwelliger Basis nicht auf. Das Haus in der Jüdenstraße aber ist Eigenbesitz, so vermieten die Eigentümer auch die dort integrierte Ladenzeile (einst eine im Familienbetrieb geführte Metzgerei). Die Besitzer waren offensichtlich offenherzig, und mit Vorlauf wurde der Laden für den Juni also gebucht, lediglich geputzt werden musste ein wenig, damit die Räumlichkeiten begehbar wurden.
Interimsvermietungen sind kein neues Konzept, man denke beispielsweise an Eisdielen-BesitzerInnen, die ihre Sommerresidenz spätestens im Novembernebel gerne an Lebkuchen-VerkäuferInnen abtreten. Wirtschaftlich gesehen können Pop-Up-Stores für Unternehmen sehr lukrativ sein, man macht aus einer erschwinglichen Ladenfläche ein kleines warenorientiertes Kurzzeit-Museum in den coolen Vierteln der größeren Städte, das ist Produktplatzierung allererster Güte (im Fach-Jargon als »Produktexklusivität« bezeichnet): Immerhin müssen KundInnen nun schnell sein, wollen sie das ein oder andere It-Piece erwerben. Was auftaucht, um bald darauf wieder zu verschwinden, das wird eben auch in Last-chance-to-buy-Manier an sich gerissen. Und was mit Materiellem geht, geht mit Kultur noch besser, die kostet manchmal gar nichts, ist sowieso ein Bäumchen wechsle dich und unter Umständen auch sehr anpassungsfähig an ihre Umgebung.
Ablaufplan of joy
Parallel zur Unterkunftssuche wurde das Programm festgelegt. Integriert in Konzept und Lädchen war die Dauerausstellung »Taking Heart at the Aim of the Present – Horatio und das Odeon des Perikles« von Johann Brandes, der das Konzept seiner Bilderserie zur Odyssee des Horatio (in thematischer Anlehnung an die diesjährige documenta in Kassel) an die FKK-Herren schickte. Genehmigt. Die Vernissage fand am 13. Juni statt. Von da an folgten Lesungen (u.a. mit Julia Ruegger, Studiengang Kreatives Schreiben an der Universität Hildesheim, und Steffen Bach, dessen Neuveröffentlichung ist es eine ebene? im Verschlag-Verlag erschien), Akustik-Konzerte, Jamsessions, eine Kleidertauschparty und letztlich die Finissage am 24. Juni. Getränke wurden auf Spendenbasis ausgeschenkt, wer kochen und backen konnte, durfte die Ergebnisse gerne zum Verzehr freigeben: Culture-, Food-and-Beverage-Sharing.
Perspektive
Der FKK betrieb elf Tage lang kulturell-gemixtes Storytelling, und das lockte Freigeister, die ihre künstlerisch aktiven Bekannten beklatschten – aber eben nicht nur. In den Bann gezogen wurden auch Vorbeigehende und nachträglich Informierte.
Fußgängerzonenzentriertes Draußen sitzen und dabei hippieeskes Partizipieren kennt man eher nur vom Platz vor dem Vinyl-Reservat, wenn in den Sommermonaten Musik von Plattentellern durch die geöffneten Türen dringt. Mit dem FKK wurde ein zusätzliches Refugium des Freien Himmels geschaffen, von denen es hier gerne mehr geben könnte. Christoph von Borell sagt im Nachhinein, dass die Erwartungen mehr als erfüllt wurden. Und deswegen möchten die Organisatoren so etwas wieder haben. Der partizipative Charakter des FKK habe schon während der Premieren-Phase im Juni regionale KünstlerInnen angelockt. Der Freiraum für Kunst und Kultur in jedem Quartal an einem neuen Ort wäre seiner Meinung nach prima. Anvisiert ist nun der November dieses Jahres, ein Raum steht noch nicht fest. David Braun stellte bereits einen Antrag beim von der AKB-Stiftung geförderten Programm »Kreativität im Studium«, und so wie es aussieht, hat der neue FKK auch gute Chancen auf Subvention.
Wer aktiv mitkünstlern will, in welcher Form auch immer, der möge sich melden via Facebook, Instagram oder f-k-k@mail.de.