Das Literarische Zentrum muss mithalten mit aufkommender Asphalthitze und tut deswegen für die Monate April-Juni ganz schön viel Glitzer in sein Programm. Die Litlog-Redaktion hat die Rosinen rausgepickt, verweist aber darüber hinaus wie immer treu auf das komplette Programm des Zentrums.
Von Dorothee Emsel
Bild: pajala via pixabay / CCO
Das Sommerprogramm des Zentrums hat beinahe Festival-Charakter. Dicht an dicht reihen sich Lesungen, Workshops und Performances in den Monaten April bis Juni. Vorfreude macht beispielsweise die Veranstaltung »Profs at the Reading Table«. ProfessorInnen aus sieben Philologien der Universität Göttingen finden sich ein, um dem Wunsch ihrer Studierenden nachzukommen und ihre literarischen Nachttisch-Favourites zu präsentieren. Die Tafelrunde tagt am 8. Mai.
In Kooperation mit dem Netzwerk der Literaturhäuser präsentieren die Ägypterin Basma Abdelaziz und die Palästinenserin Mira Sidawi die Dramen ihrer Herkunftsländer nach dem Arabischen Frühling in Romanform. Was einst als Aufbruchsgedanke leuchtete, schlug um in Krieg und Freiheitsbeschneidung. Die beiden Frauen lesen aus ihren bereits erschienenen bzw. noch unveröffentlichten Texten, Stefan Weidner, einer der wichtigsten Übersetzer aus dem Arabischen, begleitet den Abend. »Insight Nahost- Junge arabische Literatur« am 24. Mai.
Die TeilnehmerInnen der Schreibwerkstatt für Geflüchtete, die das Literarische Zentrum im März ausrichtete, kommen am 27. Mai in die Düstere Straße zurück: Öffentlich präsentieren sie ihre Ergebnisse unter dem Titel »Mapping poetic voices«. Unter den 13 Teilnehmenden befanden sich auch solche, die in ihren Herkunftsländern bereits schreibintensive Berufe ausübten: Journalisten und Drehbuchautorinnen beispielsweise. Doch wie einen Text erschaffen, wenn die Zielsprache plötzlich eine andere ist? Der deutschsprachige, aus einer spanischen Gastarbeiterfamilie stammende Schriftsteller José F.A. Oliver leitet durch den Abend.
Preread statt Preview: Ein junger Lektor hat jüngst mal ein bisschen nach Nicole Kidman recherchiert und sah, dass sich die Holde aktuell in den Dreharbeiten zu Boy Erased befindet. Die autobiographische Vorlage zum Film machte er sogleich ausfindig und zum Projekt seines Verlages (Secession). Garrard Conley, der Autor dieses Buches, erzählt darin die Geschichte seiner Jugend. Von der christlich-fundamentalistischen Gemeinde, in die er hineinwuchs, wird er vor die Wahl gestellt: »Heilung« von seiner Homosexualität oder Abwendung von Freunden, Familie und Glauben! Lesung und Gespräch mit dem deutschen Verleger Joachim von Zepelin am 29. Mai.
Das zweite Treffen des »Netzwerks der unabhängigen Literaturzeitschriften« am 7. Juni wird ein Ritt des Berliner Labels Kabeljau & Dorsch durch die Landschaft junger Literaturvermittlung und ein konfettiesker Auftakt zum 4. Poetree-Lyrikfestival am 9. Juni. Im Innenhof des DOTS kommen Poeten und freie Literatinnen zusammen, um in Publikums-Symbiose die Knackigkeit der Sprache durchzuwuscheln.
Ein Blick in andere Räume! Katharina Greve erschuf 2017 ein Hochhaus in Comicform: 102 Etagen Leben bebildert das Dahinter der nachbarlichen Gardinen; die Autorin Sarah Schmidt stellt ihren »Altbau-Roman« Eine Tonne für Frau Scholz vor. Mit Comiczeichnerin und Autorin prallen im Rahmen der Sparte »Literatur macht Schule« am 21. Juni prunkvolle Stuckdecken und Trennwände so dünn wie Pappe aufeinander.
In der Reihe »neu_übersetzt« zeigt sich der 1953 erstmals erschienene Roman Go Tell It On The Mountain von James Baldwin in einem sprachlich neuen Gewand. Miriam Mandelkow übersetzte und titelte neu: Von dieser Welt heißt die Geschichte vom homosexuellen Afro-Amerikaner John, der mit allen Ressentiments gegen Hautfarbe und sexuelle Ausrichtung im Harlem der 30er-Jahre zu kämpfen hat. Mandelkow berichtete einst, sie füge sich in den sprachlichen Rhythmus ein, indem sie steppe. Das Gespräch mit der Schriftstellerin Martina Hefter wird die Übersetzerin an diesem Abend aller Voraussetzung nach im Sitzen führen. Am 29. Juni.
Im neuen Programmheft-Format (siehe auch Litlog-Artikel Des Zentrums neue Kleider) bleibt auch immer schön Platz für einen kleinen Ausblick auf bereits festgeplante Veranstaltungen in den Folgemonaten. Wer die stets vor Augen haben will, stecke sich den Leporello in die Gesäßtasche. Und sowieso immer am Programmball bleiben unter: http://www.literarisches-zentrum-goettingen.de!