Ein Zentrums-Herbst voller Erzählkunst und Diskussionen

Am 26. Juni wurde im Göttinger Literaturhaus das abwechslungsreiche Herbstprogramm des Literarischen Zentrums vorgestellt. Zwischen August und Dezember können sich Interessierte auf Abende mit ganz unterschiedlichen Autor:innen und innovativen Erzählstimmen freuen. Spannende Diskussionen über die Mobilität der Zukunft, Populismus, Demokratie und Formen des Zusammenlebens versprechen ein reichhaltiges und interessantes Herbstprogramm.

Von Anna Savchuk

Bild: Sinja Minners, Lea Taube, Gesa Husemann, Marisa Rohrbeck und Anna-Lena Markus (v. l. n. r.) © Anna Savchuk

Start in den Sommer: Verkehrswende-Debatte und ostdeutsche Identitäten

Mit viel Vorfreude präsentieren Gesa Husemann, Anna-Lena Markus, Marisa Rohrbeck und Volontärinnen Lea Taube und Hannah Schmidt die geplanten Veranstaltungen.
Zum ersten Termin im Rahmenprogramm ist Mobilitätsexpertin Katja Diehl zu Gast, die schon mit ihrem letzten Buch für Aufsehen sorgte. Sie beleuchtet in Raus aus der AUTOkratie – rein in die Mobilität von morgen (S. Fischer 2024) wichtige Fragen zur Verkehrswende in Deutschland und regt dazu an, die Erfordernisse einer inklusiven, klimafreundlichen und nachhaltigen Mobilität ernst zu nehmen. Ins Gespräch kommt die Autorin mit Doreen Fragel, Erste Kreisrätin des Landkreises Göttingen, und Frithjof Look, Göttinger Stadtbaurat.

Am 4. September verspricht es unterhaltsam zu werden, denn dann sind die drei Autorinnen Annett Gröschner, Peggy Mädler und Wenke Seemann im Literarischen Zentrum und tun, so die Organisatorinnen mit einem Augenzwinkern, genau das, worum es in ihrem kürzlich erschienenen Buch Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat (Hanser 2024) geht; nämlich bei Hochprozentigem über den Osten reden. Und dabei soll es um viel gehen: um Vergangenheit und Gegenwart, Zweifel und Hoffnung ostdeutscher Identitäten in analytischer, essayistischer und vor allem in anekdotischer Form.

Das gesellschaftspolitische Programm prägen daneben Marcel Lewandowsky mit seiner Analyse Was Populisten wollen (KiWi 2024), bei Peter Kemper geht es mit The Sound of Rebellion (Reclam 2023) um die politische Ästhetik des Jazz. Andrea Newerla, Stefanie de Velasco und Laura Melina Berling diskutieren auf dem Podium über Nähe, Beziehungen und Liebe jenseits der Paarnorm.

Eine Reise durch experimentelle Prosa und alternative Realitäten

Besondere Begeisterung seitens der Organisatorinnen im Bereich Belletristik gilt Maren Kames, die im Frühjahr ihr drittes Buch Hasenprosa (Suhrkamp 2024) veröffentlicht hat. In der Erzählung mit vielen Verwicklungen geht es um eine Protagonistin, die versucht auszubrechen und mit einem Hasen auf Reisen geht. Es ist ein Buch voller Erinnerungen – an zwei Großmütter und einen Großvater, an einen Bruder und seinen Baum. Der sehr experimentelle Text lade zu einem etwas unkonventionellen Format ein: Am 28. August liest die Autorin bei einer Kopfhörerlesung im Nikolaikirchhof.

Kurz vor Weihnachten ist am 4. Dezember der als fantastischer Erzähler und Performer gepriesene Saša Stanišić mit Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne (Luchterhand 2024) zu Gast. Zwölf unterschiedliche Geschichten, frech aber dennoch traurig, zeigen, wie sich das Leben durch kleine Entscheidungen und Ereignisse anders entwickeln kann.

Im Bereich der Belletristik hat das Herbstprogramm außerdem Inger-Maria Mahlke, Rachel Cusk und Ronya Othmann im Gepäck. Sasha Marianna Salzmann und Ofer Waldman stellen ihren Briefwechsel Gleichzeitig (Suhrkamp 2024) und damit einen Austausch zwischen Israel und Europa nach dem 7. Oktober vor. Am 1. Oktober erfährt Thomas Manns Der Zauberberg eine Neuerzählung in 100 Minuten durch Meike Rötzer. Ulrich Peltzer spricht mit Nadja Küchenmeister über seinen neuen Roman Der Ernst des Lebens (S. Fischer 2024) und am 10. Dezember schließlich wird Barbi Marković ihren mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichneten Band Minihorror (Residenz Verlag 2023)präsentieren.

Selbst schreibend tätig werden können Interessierte bei einem von Jennifer Becker angeleiteten KI-Schreibworkshop Ende November.

Literarisches Programm für junge Leser

Das Programm für junge Leser ist auch im Herbst wieder breit gefächert. An eine Taschenlampe sollte denken, wer bei der Veranstaltung rund um das Buch Kekskrümel im All (S. Fischer 2024) von Dagmar und Heino Falcke dabei sein möchte. Denn gemeinsam soll das Weltall erkundet werden: Planetenbahnen, Schwarze Löcher und ganz große Fragen des Seins stehen auf dem Plan. Themen, die vielleicht nicht nur die Jugend faszinieren und zum Staunen anregen. Arne Rautenberg, Kinderlyriker, behandelt in Mut ist was Gutes (Peter Hammer Verlag 2024) mit viel Sprachwitz große Themen auf kleinem Raum. Es soll eine lustige, warmherzige und wortgewaltige Veranstaltung für Ferienkinder werden.

Für junge Leser gibt es außerdem ein umfangreiches Programm mit Suli Puschban, Jana Nielsen, Kai Pannen, Jelena Kern, Lukas Biermann, Regina Feldmann und Judyta Smykowski.

Am Ende der Pressekonferenz betonten die Verantwortlichen des Literarischen Zentrums ihre Ziele: Innovative literarische und kulturelle Formen und Stimmen zu präsentieren. Den Zeitgeist einzufangen, Zeitfragen und aktuellen Debatten Raum zu geben sei dabei sehr wichtig, um relevante Fragen zu stellen, die gesellschaftspolitisch aber auch in ästhetischer Hinsicht von Bedeutung sind.

Details zum Programm und zum Ticketerwerb finden sich auf der Website des Literarischen Zentrums. Für Studierende der Universität Göttingen und der PFH ist der Eintritt mit dem Kulturticket frei, sofern an der Abendkasse noch Karten verfügbar sind.

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